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Microsoft: Megalomanie in Seattle

2. November 2001 / von aths / Seite 2 von 2


MS will das Internet kontrollieren? Ist diese Behauptung überhaupt zu halten? Dazu sehe man sich drei Dinge an.

Erstens: MS wollte eine Funktion anbieten, welche auf Internetseiten zusätzliche Links einfügt. So können sie den User gezielt auf ihre Seiten wie MSN ziehen. Sie priesen diese "Smart Tags" als kundenfreundlich. Der Kunde würde mehr Funktionalität bekommen. Dabei wollten sie, ohne die Autoren zu fragen, deren HTML-Seiten anders anzeigen, als es von ihnen vorgesehen war. (Geht das überhaupt, vom Urheberrecht her?)

Und zwar nur mit opt-out-Option. Man müsste per neuem HTML-Tag extra sagen, dass der IE keine Smart-Tags einfügen soll. Also alle Seiten entsprechend bearbeiten und neu uploaden. (Aha, ich hätte meine Pages ändern müssen, nur um etwaige im neuen IE angezeigten Links auszuschließen, die zu Microsoft-Angeboten führen würden.) Höchstens eine opt-in-Option, also wahlweises zuschalten, wäre diskutabel. Wer garantiert, dass eine IE-Version in Zukunft nicht anbieten könnte, das opt-out zu deaktivieren? Nur unter starker Kritik nahm MS von den Smart Tags Abstand. Vorerst.

Was ist denn der nächste Schritt? Vielleicht, Links zu entfernen? Ist das nicht auch kundenfreundlich, denn es könnten "böse" Seiten ausgeklammert werden, und MS könnte so Schutz für die Kinder vor Pornographie bieten?

Zweitens: Verzicht auf Netscape-Plugins. Es wird ab IE 6.0 nur noch ActiveX akzeptiert. Von den schweren Sicherheitslücken, die im Zuge mit ActiveX aufgefallen sind, mal ganz zu schweigen. MS will das Internet so umformen, dass es nur mit Windows und dessen eigenem Browser voll zu genießen ist. Sie wollen das Internet monopolisieren. ActiveX ist an Windows gebunden. Wenn jetzt für den IE die alten Plugins angepasst werden, so hofft MS, dass morgen nur noch ActiveX-Plugins programmiert werden. Und so die Konkurrenz raus ist.

Siehe auch den Verzicht auf Java. Java kommt von Sun. Sun mahnte MS streng ab, als sie eigenmächtig (für den IE) neue Befehle einfügen wollten. Auf Java hat MS keinen Einfluss. Und Java ist leider, leider nicht an Windows gebunden. Also versuchen sie, seine Bedeutung zurückzudrängen. Für MS gut - für den Anwender schlecht.

Drittens: Microsoft verbreitet über die Konkurrenz schlechte Nachrichten. Sie kaufen Tests, in denen Windows NT als Server besser als Linux abschneidet. Sie schalten Anzeigen wie "Ein offenes Betriebssystem hat nicht nur Vorteile". Das stimmt zwar, allerdings hat es weniger Nachteile. Zum Beispiel, was Virenanfälligkeit betrifft. Oder sie bezeichnen OpenSource-Projekte als "virale Software". Damit dabei ist folgendes gemeint:

Die Lizenzverträge für bestimmte Internetsoftware von Microsoft beinhaltet auch, mit dieser Software zusammen z.B. keine OpenSource Programm einzusetzen. Das setzt dem ganzen die Krone auf, dem Anwender die Benutzung von alternativer Software zu untersagen. Microsoft warnte vor dieser freien Software bildlich als "Mutationen", obwohl es Microsoft-Systeme waren, welche sich gegenüber den letzten Würmer im Netz als empfindlicher und leichter hackbar erwiesen.

Was ist als nächstes zu erwarten? Darf vielleicht auf einer Festplatte, auf der Windows drauf ist, kein Linux mehr installiert sein? Darf man in Zukunft generell keine anderen HTML-Browser mehr installieren? Muss ein Unternehmen, welches Windows-Lizenzen kauft, schriftlich versichern, ausschliesslich auf allen PC nur Windows laufen lassen? Das klingt übertrieben, aber den ersten Schritt zu solchen abstrusen Vereinbaruen hat Microsoft längst getan.

MS integrierte in Visual C++ spezielle neue Befehle, so dass dieses C++ Programm nicht mehr mit anderen Compilern zu übersetzen ist. So wollen sie die Portablität von C untergraben, obwohl gerade das die Stärke von C ist. Sie versuchen mit DirectX andere Schnittstellen wie OpenGL zu verdrängen. Denn OpenGL-Programme laufen auch unter Linux und jedem anderen OS, das OpenGL unterstützt. Sie versuchen krampfhaft auf allen Gebieten, durch Windows-eigene Angebote den Kunden für immer an dieses Betriebssystem zu binden. Sie versuchen, die Datei-Formate ausschließlich an die Windows-Plattform zu binden. Sie versuchen, Alternativen wie freie Software schlecht zu machen und den User von deren Benutzung abzuhalten.


Microsoft leidet an Megalomanie. Sie wollen die Plattform stellen, das Dateiformat, das Abspielprogramm, die Zugangs-Software und die Inhalte (Windows, ASF, Media Player, IE, MSN). Bei so einer Konzentration an Macht über das Medium Internet wird Pluralität schlicht zurückgedrängt. Schon jetzt beinhaltet der Lizenzvertrag von MS Frontpage, dass mit diesem Programm keine MS-kritischen Texte verfasst werden dürfen. Sie haben also schon einen ersten Schritt getan.

Was kommt als nächstes? Wer eine Meinung äussert, die Microsoft nicht passt, kann der vielleicht schon mit dem übernächsten IE gefiltert werden? Technisch ist das machbar. Der IE könnte sich automatisch mit einem Server verbinden und eine aktuelle Black List downloaden, nach der gefiltert wird. Automatisches und ungefragtes "Updaten" ist bei Microsoft und Windows ME ja schon gang und gäbe. Die Smart Tags sollten immerhin schon einmal den umgekehrten Weg gehen: Automatisch würde eine Liste geladen und es werden dann neue Links in die Seiten eingefügt. Für MS sind die Smart Tags nur vorerst draussen und nicht für immer von der Tagesordnung. Der Dumme ist der Kunde. Das ist mit dem Erfolg von Windows hinreichend bewiesen.

Die Windows9x/ME-Plattform ist gelinde gesagt unmodern und stammt aus 386-er Zeiten. Sie nutzt den PC nicht aus, ist instabil und bietet kein stabiles Multitasking. Der Kunde bekommt bunten Schnulli und animierten Pipifax statt Kontrolle über seinen PC. Er verwendet von Microsoft eingeführte Marketing-Begriffe, deren wörtliche Bedeutung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Und vorallem bekommt er ein System, das zum Beispiel nicht auf betriebssystemfremde Laufwerke zugreifen kann. Linux kann das, OS/2 kann das, BeOS kann das - nur Windows kann es nicht. Offenbar, weil plattformübergreifender Datenaustausch von MS nicht erwünscht ist.

Windows ist ein System, mit dem propriätare Dateiformate und damit Inkompatibilitäten gefördert werden. Der Windows-Nutzer kann Windows nur innerhalb der Windows-Welt nutzen. Microsoft gaukelt dem Käufer vor, mehr sei auch nicht notwendig. Ja, das sei sogar gut so, da OpenSource virulent sei (unerwartet mutieren könne). Und sie wollen dafür sorgen, dass man in Zukunft das Internet nur noch mit Windows und dem IE vollständig sehen kann. Nachdem sie den technischen Fortschritt erst mit DOS und dann mit Windows allein aufgrund ihrer Monopolstellung aufhielten, steht uns die gleiche Innovations-Armut beim Internet bevor.

MS will sein Produkt namens Windows verkaufen. Dazu muss es erwiesenermaßen nicht einmal gut sein. Es reicht, wenn der Kunde glaubt, es würde gut sein. Solche Kunden kennen die Alternativen nicht und wissen nicht, was sie verpassen und welche Einschränkungen sie sich auferlegen. Ihnen reicht die kleine Windows-Welt. Nungut. Doch MS will inzwischen viel mehr: Über Windows wollen sie Internet-Serviceleistungen verkaufen. Da ist es praktisch, wenn die Software dazu aus gleichem Hause kommt. Und das Portal. Und das Format. Und die Spionage-Software. Sie wollen die gesamte Kette.


Das Monopol von MS sehe ich mit großer Sorge. Denn ihr Gebaren ist eindeutig. Da gibt es nichts zu verharmlosen oder zu beschwichtigen: MS setzt alles daran, das Monopol über das Zukunftsmedium Internet zu erlangen. Lieber habe ich fünf große Betriebssysteme und sechs große Browser als das Monopol eines größenwahnsinnigen Konzerns. Für die Bequemlichkeit, bei Windows zu bleiben und Alternativen keine ernsthafte Chance zu geben, werden wir teuer bezahlen. Wir merken heute nicht, wie ärmlich und leistungsarm Windows ist.

Wahrscheinlich merken wir morgen nicht, wie einseitig das Internet geworden ist. Denn es wird auf jeden Fall noch bunter werden, es wird mehr Animationen geben und es wird mehr Sound-Effekte geben. Siehe solchen unproduktiven Blödsinn wie HTML-Emails, die im Zuge mit Windows Verbreitung erfuhren. Hauptsache bunt. Hauptsache inkompatibel. Hauptsache Windows.


aths, 2. November 2001. Mehr Texte (nicht nur) von mir auf www.aths.de/attic.



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