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AMD übernimmt ATI

24. Juli 2006 / von Leonidas / Seite 1 von 2


Wie AMD inzwischen in einer Pressemitteilung selbst bekanntgegeben hat, übernimmt die Prozessoren-Schmiede den Grafikchip-Entwickler ATI. AMD bietet den ATI-Aktionären dabei für jede ATI-Aktie 16,40 Dollar in bar und 0,22 AMD-Aktien, was zum Schlußkurs vom letzten Freitag einen Gegenwert von weiteren 4,07 Dollar darstellt. Der nominelle Preis pro ATI-Aktie liegt damit bei 20,47 Dollar - und damit 24 Prozent über dem Aktienschlußkurs vom letzten Freitag. AMD läßt sich somit diesen Deal nominelle 5,4 Milliarden Dollar kosten, wobei der Bar-Anteil bei immerhin 4,2 Milliarden Dollar liegt.

AMD will diese mit der Geschäftsleitung von ATI einvernehmlich ausgehandelte "freundliche Übernahme" bis zum Ende des Jahres abschließen, um dann im nächsten Jahr schon geringfüge Vorteile aus diesem Deal in den Bilanzen zeigen zu können, bevor ab 2008 die erzielten Synergieeffekte voll auf die Geschäftszahlen durchschlagen sollen. Allerdings müssen die ATI-Aktionäre und im Zweifelsfall auch noch die kanadischen und US-amerikanischen Wettbewerbshüter diesen Deal absegnen. Sollte dies passieren, würde ATI bei AMD dann eine eigene ATI-Sparte bilden (ähnlich wie bei AMDs Flashspeicher-Sparte Spansion) und Dave Orton als bisheriger CEO von ATI dieser ATI-Sparte von AMD vorstehen.


Für AMD dürfte diese Übernahme allerdings ein ziemlicher Brocken werden, wenn man bedenkt, daß das Unternehmen in den letzten vier Quartalen einen Umsatz von 5,9 Milliarden Dollar bei einem Gewinn von gerade einmal 446 Millionen US-Dollar erwirtschaften konnte. Und selbst unter Hinzurechnung des zu erwartenden ATI-Gewinns dürfte es schwierig werden, die vorgenannten 4,2 Milliarden Dollar wieder zu refinanzieren, denn auch ATI ist nicht für besonders ertragreiches Geschäftsberichte bekannt: Einem Umsatz von 2,4 Milliarden US-Dollar in den letzten vier Quartalen steht ein Verlust von 31 Millionen Dollar im selben Zeitraum gegenüber. Nimmt man hierbei noch das ATI-Geschäftsquartal 1/2006 (real das dritte Quartal des Kalenderjahres 2005) heraus, welches allein für 104 Millionen Dollar Verlust steht, so steht ATI derzeit für nicht größere Gewinne als 30 Millionen Dollar pro Quartal.

AMD dürfte also nach dieser Übernahme - und wenn alles so weiterlaufen sollte wie bisher - bei einem Jahresumsatz von über 8 Milliarden Dollar ankommen, der jährliche Gewinn könnte im besten Fall im Bereich von runden 600 Millionen Dollar liegen. Allerdings wird es natürlich nicht einfach so weitergehen wie bisher, denn AMD steht nach der jüngsten Produktoffensive seitens Intel und der eigenen darauffolgenden drastischen Preissenkung vor den schwersten Monaten der jüngeren AMD-Geschichte: Man wird sich zumindestens bis zum Start der ersten 65nm Prozessoren Anfang 2007 regelrecht durchhangeln müssen, weil man Intel derzeit leistungsmäßig nichts entgegenzusetzen hat.

In diesem Sinne war der Zeitpunkt dieser Übernahme sogar noch bestens gewählt, denn zuletzt fuhr AMD gar über vier Quartale hin ganz anständige Gewinne ein. Schon zum nächsten Quartal hin dürfte AMD aber wohl wieder in den roten Zahlen sein, wäre es demzufolge deutlich schwieriger bis unmöglich, die Finanzierung für den AMD/ATI-Deal durchzubekommen - und immerhin hat sich AMD zur Finanzierung dieser Übernahme satte 2,5 Milliarden Dollar von der US-Investmentbank Morgan Stanley geliehen.

Es bleibt nur zu hoffen, daß AMD daran nicht stärker zu knabbern hat, als bei der Einfädelung dieses Deals angenommen: Denn wie gesagt wird die Prozessoren-Sparte von AMD die nächsten Monate aller Vermutung nach durch ein tiefes Tal gehen müssen, während selbst bei relativ optimalem Geschäftsverlauf der Gesamtgewinn des vereinigten Unternehmens für einige Jahre komplett für die Rückzahlung der jetzt aufgenommenen Schulden draufgehen wird.


Die Chance muß für AMD natürlich darin liegen, Synergien aus diesem Deal zu ziehen - und dies im positiven Sinne, d.h. nicht rein bestehend im Abbau von Arbeitsplätzen. Aber dies wird in diesem speziellen Fall wohl sowieso weitestgehend unnötig sein, da sich beide Unternehmen bisher auf jeweils unterschiedlichen Teilmärkten herumgetrieben haben und sich somit ganz klar gegenseitig ergänzen. AMD dürfte nach übereinstimmender Meinung aller Beobachter in erster Linie scharf auf ATIs Chipsatztechnik bzw. den Stand von ATI in diesem Markt sein.

Auch wenn AMD in der Vergangenheit immer wieder betont hat, auf die Wahlfreiheit der Konsumenten zu setzen und somit keine eigenen Plattform-Angebote wie Intel in Form von Prozessor samt Mainboard-Chipsatz zu machen, ist doch klar, daß diese Strategie Intel einiges an Marktanteilen sichern geholfen hat. Auch gegenüber dem Endkunden kann sich ein Prozessoren-Hersteller mit dieser Strategie viel besser präsentieren als rein nur mit seinem primären Produkt. In diese Kerbe dürfte AMD nun zukünftig ebenfalls schlagen und zusammen mit der ATI-Technik einige Plattformangebote auf die Beine stellen.

Über weitergehende Pläne läßt sich allerdings nur spekulieren: Beispielsweise, ob das Know-How von ATI AMD bei der Entwicklung zukünftiger Prozessoren helfen könnte, was aber eben wirklich nur auf zukünftige Projekte zutreffen könnte. Oder aber ob AMD im Zusammengang mit der Chipsatz-Technik von ATI bei der Anbindung des Prozessors an das restliche System möglicherweise erneut völlig neue Wege beschreitet - zu denken wäre hierbei beispielsweise an die schon einmal gerüchteweiser genannte Integration der PCI Express Anbindung in den Prozessor selber.

Die den Markt sicherlich am deutlichsten betreffende Möglichkeit wäre allerdings, wenn AMD den Plattformgedanken weiter bis hin zu den Grafikchips spinnen würde - dann gäbe es Prozessor, Mainboard-Chipsatz und Grafikchip aus einer Hand, was angesichts dessen, daß die meisten Mainboard-Hersteller ja auch gleichzeitig Grafikkarten-Produzenten sind, sogar jetzt schon praktisch realisierbar wäre. Eine solche Strategie würde allerdings wohl Intel zum Handeln zwingen - und dies könnte den Markt dann durchaus völlig umkrempeln.

Denn der nach wie vor mit Abstand größte Halbleiterhersteller der Welt könnte sich dann faktisch gezwungen fühlen, im Gegenzug nVidia zu übernehmen, um etwas gleichwertiges auf die Beine zu stellen. Hinzu kommt, daß sich Intel und nVidia im Zuge des AMD/ATI-Deals sowieso automatisch näher kommen werden dürften. Natürlich wäre es auch möglich, daß Intel wieder zur eigenen Entwicklung von Grafikchips übergeht - immerhin gibt es durch die integrierten Grafikchips schon seit Jahren eine entsprechende Abteilung bei Intel.

Auch denkbar ist es, daß nVidia sich selber zum Prozessoren-Hersteller aufschwingt - immerhin denkt die kalifonische Firma bereits in diese Richtung. Dann würde auch nVidia alle für die Leistung relevanten Komponenten eines PC-Systems im Komplettangebot anbieten können, was es für Intel noch dringender machen würde, entsprechend nachzuziehen. Der Vorteil dieses Gedankens ist sicherlich, daß wir dann wieder drei potente Hersteller von Prozessoren und Grafikchips auf dem Markt hätten.

Der entscheidende Nachteil liegt aber darin, daß konkurrierende Hersteller von Plattform-Angeboten - egal ob AMD/ATI vs. Intel/nVidia oder gegen AMD/ATI vs. Intel vs. nVidia - eventuell mit der Zeit sich rein nur noch auf ihre Plattform-Angebote konzentrieren und somit die Wahlmöglichkeiten des Endverbrauchers - beispielsweise Intel-CPU mit ATI-Grafikkarte - dezimieren bis ausschließen. Danach könnte der Käufer dann nur noch aus den jeweiligen Paketangeboten eines Herstellers wählen, egal ob per technischer Inkompatibilität erzwungen oder einfach, weil die Hersteller nur noch im Paket anbieten. Natürlich muß es nicht so kommen, aber diese - aus unserer Sicht wenig reizvolle - Möglichkeit ist nunmehr offensichtlich vorhanden.


Gleichfalls auf der Negativ-Seite steht die Möglichkeit, daß AMD versuchen könnte, Vorteile aus der "Optimierung" von ATI zu ziehen. Sicherlich würde sich anbieten, da AMD über eigene Fertigungsstätten verfügt, in diesen künftig auch die ATI-Grafikchips herzustellen. Dieser Versuch ist jedoch mit einem hohen Risiko behaftet - er war beispielsweise einer der Gründe, welcher zum Untergang von 3dfx führte. Ebenfalls ein generelles Risiko stellt dar, daß AMD nunmehr über die bei ATI verwendeten (horrenden) Forschungsgelder entscheidet - und AMD diese zugunsten von kurzfristig höheren Gewinnen kürzen könnte, was ATI langfristig die Schlagkraft gegenüber nVidia nehmen und den Grafikchip-Markt somit uninteressant machen könnte.

Aber auch ansonsten hat der Endverbraucher eigentlich nichts von diesem Zusammenschluß AMD & ATI: Kurzfristig dürfte sich zwar erst einmal nicht viel ändern, da beispielsweise die ATI erteilte Buslizenz für Mainboard-Chipsätze für Intel-Prozessoren üblicherweise 5 Jahre gilt und ATI somit noch einige Zeit entsprechende Chipsätze bauen könnte (ob man es auch weiterhin tut, ist allerdings noch nicht klar). Ebenso in der Schwebe ist der Stand der CrossFire-Kompatibilität auf Intel-Chipsätzen: AMD/ATI wird die entsprechende Lizenz an Intel zwar kaum zurückziehen können, aber womöglich nimmt Intel auch freiwillig Abstand davon, damit indirekt die Produkte des größten Wettbewerbers zu promoten - selbst wenn man selber keine Grafikkarten anbietet.

Mittelfristig ist allerdings durchaus anzunehmen, daß AMD/ATI keine Buslizenzen von Intel mehr erhalten wird, es dann also keine Mainboard-Chipsätze von ATI für Intel-Prozessoren geben wird. Damit schrumpft der Markt an Chipsatz-Herstellern mittelfristig weiter zusammen - wenn VIA und SiS sich weiterhin so einseitig auf möglichst billige (und damit für den Retail-Käufer nicht wirklich konkurrenzfähige) Chipsätze konzentrieren, operieren im Markt für Intel-Chipsätze dann nur noch Intel und nVidia.

Langfristig aber ergeben sich wie gesagt unerwägbare Risiken für die Wahlfreiheit des Endverbrauchers. Ob es damit anfängt, daß AMD/ATI Plattform-Angebote zusammen mit einer ATI-Grafiklösung machen oder daß Intel ATI-Grafikkarten auf den eigenen Prozessoren und Mainboard-Chipsätzen benachteiligt, wird jederzeit argwöhnig zu beobachten sein. Das Damoklesschwert, das die ganze Geschichte einen solchen Ausgang nimmt, wird jedenfalls immer über allen Aktionen der wenigen verbliebenen Marktteilnehmer hängen. Aber auch ansonsten gibt es eigentlich kaum Vorteile für den Endverbraucher und Käufer, sondern eher nur das steigende Risiko eines Marktes mit zunehmend weniger Wahlmöglichkeiten.


Abschließend zur besseren Einordnung der "Großen Vier", aus denen nun schließlich die "Großen Drei" werden, ein kurzer Überblick über die grundlegenden Geschäftszahlen von AMD, ATI, Intel und nVidia in letzter Zeit (die erste Zahl ist immer der Umsatz, die zweite Zahl immer der ausgewiesene Gewinn; die zeitliche Unterteilung erfolgte nach Kalender- und nicht nach Geschäftsquartalen):


  AMD ATI Intel nVidia
Q1/2004 1236 Mill. $
45 Mill. $
463 Mill. $
48 Mill. $
8091 Mill. $
1730 Mill. $
472 Mill. $
21 Mill. $
Q2/2004 1262 Mill. $
32 Mill. $
492 Mill. $
49 Mill. $
8049 Mill. $
1757 Mill. $
456 Mill. $
5 Mill. $
Q3/2004 1239 Mill. $
43 Mill. $
572 Mill. $
61 Mill. $
8471 Mill. $
1906 Mill. $
516 Mill. $
26 Mill. $
Q4/2004 1264 Mill. $
-30 Mill. $
614 Mill. $
64 Mill. $
9598 Mill. $
2123 Mill. $
567 Mill. $
48 Mill. $
Q1/2005 1227 Mill. $
-18 Mill. $
608 Mill. $
57 Mill. $
9434 Mill. $
2178 Mill. $
584 Mill. $
64 Mill. $
Q2/2005 1260 Mill. $
11 Mill. $
530 Mill. $
±0
9231 Mill. $
2038 Mill. $
575 Mill. $
75 Mill. $
Q3/2005 1523 Mill. $
76 Mill. $
470 Mill. $
-104 Mill. $
9960 Mill. $
1995 Mill. $
586 Mill. $
65 Mill. $
Q4/2005 1840 Mill. $
96 Mill. $
591 Mill. $
8 Mill. $
10201 Mill. $
2453 Mill. $
634 Mill. $
98 Mill. $
Q1/2006 1330 Mill. $
185 Mill. $
672 Mill. $
34 Mill. $
8940 Mill. $
1347 Mill. $
682 Mill. $
91 Mill. $
Q2/2006 1210 Mill. $
89 Mill. $
652 Mill. $
31 Mill. $
8009 Mill. $
885 Mill. $
noch keine Zahlen vorhanden
gesamt 2004 5,00 Mrd. $
0,09 Mrd. $
2,14 Mrd. $
0,22 Mrd. $
34,21 Mrd. $
7,52 Mrd. $
2,01 Mrd. $
0,10 Mrd. $
gesamt 2005 5,85 Mrd. $
0,17 Mrd. $
2,20 Mrd. $
-0,04 Mrd. $
38,83 Mrd. $
8,66 Mrd. $
2,38 Mrd. $
0,30 Mrd. $
aktueller Aktienkurs AMD ATYT INTC NVDA







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