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Doom 3 Editorial

19. August 2004 / von zeckensack / Seite 1 von 2


   Kein Review

Als allererstes möchte ich klar stellen, dass ich Doom 3 für ein brilliantes Gesamtwerk halte. Wenn es Euch nun gar nicht gefallen hat und Ihr eine weitere Lobeshymne auf das Spiel nicht ertragen könnt, dann dürft Ihr gerne etwas anderes lesen. Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht frühzeitig gewarnt.

Mit der Technik hinter Doom 3 habe ich mich schon eine ganze Weile beschäftigt, im Grunde seit die ersten Informationsbröckchen in den einschlägigen Foren auftauchten. Man sagt mir sogar nach, darüber schon den einen oder anderen Artikel geschrieben zu haben ... jedenfalls glaube ich die Technik relativ gut zu verstehen. Trotzdem war das letztendliche Spiel für mich schlichtweg überwältigend. Ich hatte nie erwartet, dass es am Ende so gut funktionieren würde. Das liegt möglicherweise daran, dass Doom 3 sich nicht nur durch seine Rendering-Technologie auszeichnet.

Die meisten von uns hatten sich vom Spiel wohl eine pure "Engine-Demo" erwartet. Jedenfalls war es meine Einschätzung, dass das Endprodukt ein wenig mit dem Grafiksystem herumprotzen, und das Vorhandensein von Physik- und Scripting-Systemen demonstrieren würde, aber alles in allem ein eher durchschnittliches Spiel sein würde. Angesichts des ganzen Marketingrummels schien ein wenig Skepsis durchaus angebracht. Doch da hatte ich mich - zum Glück - gründlich geirrt.

Doch genug der Schleimerei. Warum hat mir das Spiel überhaupt gefallen?


   Angst

Der Einstieg ins Spiel war ganz gut gelöst, nichts besonderes, aber auf jeden Fall gut genug, um erstmal dabeizubleiben. Hübsche, detaillierte Grafik, simple und subtile Mini-"Tutorials" für das Handwerkszeug (Interaktion mit NPCs, dem PDA, Terminals, Türen, etc.) direkt im Spiel, alles in allem sehr stimmig. Ich habe also brav weitergespielt, und das Spiel zog mich sofort in seinen Bann. Was genau mir gefiel, hätte ich allerdings nicht sagen können.

Ein paar Stunden später, ich glaube irgendwo im "Enpro"-Level muss es gewesen sein, kam dann eine Situation, wo ich schlagartig verstand, was die Faszination für mich ausmachte und warum ich das Spiel so geniessen konnte. Vor mir lag einer der vielen verwinkelten und schlecht beleuchteten Räume. Ich blieb auf der Türschwelle stehen und spähte vorsichtig in den Raum, oder was ich davon sehen konnte. Aber irgendwas stimmte nicht. Ich brauchte knapp eine Minute, um das offensichtliche und doch bemerkenswerte und wundervolle zu begreifen, was das Spiel mit mir angestellt hatte: Ich hatte Angst. Ich hatte solch panische Angst, dass ich mich einfach nicht traute, weiterzugehen.

Im Karton befindet sich etwas, das wahrscheinlich als CD-Booklet gedacht ist, jedenfalls steht darauf (sinngemäß übersetzt): "Doom 3 is ein furchteinflößendes Sci-Fi-Horror-Erlebnis. Nicht empfohlen für Feiglinge oder Herzschwache." Es gibt eine ganze Reihe von Spielen, die sich mit solches "Warnhinweisen" zieren. Bis jetzt hatte ich über sowas immer nur milde gelächelt. Aber dieser hier hatte sich gerade als ernstzunehmen herausgestellt.

Okay, nennt mich einen Feigling. Seit Dungeon Master I - da war ich zwölf, Mumien, fast totale Dunkelheit, den Rest könnt ihr Euch wohl ausmalen - hat es kein Spiel geschafft, mich in echte, blanke Furcht zu versetzen. Doom 3 hat es geschafft, und zwar gründlich. Und dafür bin ich dankbar. Das ist für mich der alles bestimmende Aspekt, der einzig wahre Grund, dieses Spiel zu lieben. Alles andere wird dadurch zu reinen Nebenrollen degradiert. Es spielt keine Rolle mehr für mich, wenn irgendwelche Motzkuchen sich über die Schattenwürfe der Taschenlampe beschweren. Und es spielt auch keine Rolle für mich, wenn irgendwelche Reviewer sich über die Texturqualität pikieren - nachdem sie mal kurz in 640x480 gespielt haben *zurückhalt*.

Ich hatte Angst, nicht nur an dieser einen Stelle, sondern über weite Teile des Spiels, und daran denke ich zuerst.


   Wie haben die das gemacht?

Falsche Frage. Bessere Frage: Wovor hatte ich Angst? Höchstwahrscheinlich davor, von den Gegnern auf's Maul zu bekommen, und vor dem virtuellen Tod. Also bin ich wirklich ein totales Weichei ... oder aber Doom 3 hat irgendwas, was anderen Spielen fehlt.

Feindbegegnungen in Doom 3 sind einfach viel traumatischer als in den meisten anderen Spielen. Treffer "rütteln" extrem am Sichtfeld, man wird stark desorientiert. Dadurch wird es sehr schwer sich gezielt zur Wehr zu setzen, oder die Flucht zu ergreifen. Wenn man also einmal getroffen wurde, führt das höchstwahrscheinlich dazu, dass man nochmal getroffen wird. Daraus lernt man dann, dass man schon den ersten Treffer nicht abbekommen will. Ernsthaft. Die meisten anderen Spiele sind einfach zu wenig spannend und glaubwürdig, als dass solche Lerneffekte greifen würden. Einen Treffer zu kassieren ist zwar immer ein Ärgernis - hrrm ... Quickload - aber das Gefühl ist einfach nicht das gleiche.

An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Vergleich zu Serious Sam ziehen, das ich auch sehr unterhaltsam fand (aber nicht zum Fürchten, vielen Dank der Nachfrage): SeSam ist ein Action-geladenes Spiel und sehr wohl in der Lage, wohlige Adrenalin-Schübe zu verursachen. Das Spiel fordert und stresst den Spieler, indem es dutzende bis hunderte Gegner gleichzeitig auf ihn loslässt. Das ist ein riesen Spaß, und ... total unernst, weil übertrieben. Doom 3 kommt mit viel weniger Gegnern (gleichzeitig) aus, aber dafür sind diese halbwegs clever, schnell, beweglich und gnadenlos. Und was vielleicht wichtiger ist: Sie lauern dem Spieler auf. Sie jagen ihn. Sie springen einem ins Gesicht, wenn man nicht vorsichtig genug ist. Und sie weichen Schüssen aus. Sie galoppieren nicht bei vollem Tageslicht geradlinig auf den Spieler zu.


   Leben (im Sinne von "nicht sterben") und lernen

Okay, sie liegen also auf der Lauer, und warten auf ahnungslose Passanten. Wir haben ja bereits gelernt, dass wir auf keinen Fall erwischt, und schon gar nicht überrascht werden wollen. Also was tun wir? Wir tasten uns vorsichtig voran, wir beobachten die Umgebung, und wir hören auf verräterische Geräusche, denn nur so können wir sie frühzeitig entdecken. Und wenn wir wissen, wo sie sind, sind wir gut vorbereitet, und müssen weniger Schmerzen ertragen.

Also gaaanz langsam, und Augen und Ohren weit aufsperren ... einfach in sein Schicksal zu rennen, bedeutet erwischt zu werden, und dann müssen wir wieder diesen traumatischen "mein Kopf fliegt durch die Gegend"-Effekt ertragen. Wer genauso feige ist wie ich, will das einfach nicht. Und dafür braucht man einfach die paar Sekundenbruchteile mehr Reaktionszeit, die man nur durch vorsichtiges Herumschleichen gewinnen kann.

Wenn man sich auf diese Spielart einlässt, dann führt das Verhalten der Gegner in Kombination mit der (meist dürftigen) Beleuchtung dazu, dass man seine virtuelle Umgebung viel genauer beobachtet. Wenn man sowieso schon ängstlich ist, führt dieses intensive Aufsaugen der Atmosphäre nur dazu, dass die Angst anhält. Das könnte man wohl mit Fug und Recht als ein "Perpetuum Mobile" in Spielform bezeichnen.






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