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Doom 3 Editorial

19. August 2004 / von zeckensack / Seite 2 von 2


   Schenk' mir was, du Masochist!

Es gibt eine Sache am Spiel, die ich trotz aller Liebe einfach nicht verstehe: Es gibt keine vernünftigen Belohnungen für Spielhandlungen. Die meisten gut funktionierenden Spiele funktionieren nur deshalb, weil dem Spieler ständig grösser werdende Belohnungen vor die Füsse geworfen werden, die er erhält, indem er immer grössere Herausforderungen meistert. Dadurch bleibt das Spiel über einen längeren Zeitraum spannend (glaubt bloß kein Wort von dieser "Story"-Sache).

Doom 3 belohnt den Spieler aber nicht, wenn er sich "gut" verhält, es macht teilweise sogar das glatte Gegenteil: In einem Level tauchen immer dann Gegner auf, meistens in gefährlicher Nähe zum Spieler, wenn man eine Rüstung einsammelt. Dabei ist die normale Reaktion, an die Spieler auch gewohnt sind "Rüstung=gut=will ich haben". Auch das kann man als Lektion, durchgeführt vom Spiel am Spieler, betrachten: Wer bereits ausreichenden Rüstungsschutz hat, und trotzdem noch mehr einsammelt, wird vom Spiel für Ressourcenverschwendung bestraft. Vom Standpunkt des theoretischen Spieldesigns kann man das nur als kontraproduktiv einstufen. Der durchschnittliche Spieler wird sich betrogen fühlen, für eine als positiv erachtete Handlung bestraft zu werden. Wie auch immer, ich hatte diese Lektion zu akzeptieren. Ab diesem Level lernte ich, Rüstung (und Medi-Paks) nur noch dann aufzusammeln, wenn es wirklich notwendig war.

Die einzige tatsächliche (allerdings wenig befriedigende) Belohnung ist, dass einem nicht der Kopf abgebissen wird, wenn man sich dem Spiel unterordnet, und langsam vorgeht. Es geht in diesem Spiel wirklich ausschließlich darum, jederzeit "kampfbereit" zu sein, und nicht nachzulassen.

Aber warum ließ ich mir diese Gängelung und Demütigung eigentlich gefallen? Ich habe wirklich keine Ahnung. Man erhält zwar recht früh im Spiel den Auftrag, sich zu einem anderen Team durchzuschlagen, was relative Sicherheit bedeuten würde, aber es wird dem geneigten Spieler schnell klar werden, dass dies eine unerreichbare Illusion ist, auch wenn sie vom Spiel noch einige Zeit aufrechterhalten wird. Trotzdem ist "Sicherheit" das ultimative Ziel. Man spielt im Grunde darauf hin, da heraus zu kommen, damit es endlich aufhört. So gesehen muss ich wohl einer kranken, masochistischen Tendenz gefolgt sein. Ich habe weitergespielt. Wenn ich wirklich gewollt hätte, dass der Horror möglichst schnell aufhört, hätte ich das Spiel einfach beiseite legen können. Denkt immer daran, dass ich ein waschechter Angsthase bin *kicher*.


   Warum Ihr das Spiel blöd findet

Genau das wird es sein. Doom 3 will Spieler in Angst versetzen, bietet ihnen weder Bestätigung noch Belohnung, und teilt sogar frech Bestrafungen aus.

Es ist ungemein hilfreich, zumindest ein kleiner Angsthase zu sein, und sich dem Leid und den Lektionen in Überlebensstrategie demütig unterzuordnen. Wenn Euch Spiele nur dann Spaß machen, wenn sie Euch erlauben, Euch zu Superhelden aufzuschwingen, dann wird Doom 3 Euch einfach nicht ansprechen können. Ihr werdet keine Gelegenheit haben, es den Gegnern mal so richtig zu zeigen, es ihnen kräftig heimzuzahlen. Ihr werdet das ganze Spiel über Opfer sein, und um das nackte Überleben kämpfen.

Doom 3 zu spielen ist also keineswegs befriedigend in Form von Schmeicheleien des Egos. Das könnte auch erklären, warum die Spielerwelt so stark zwischen Verachtern und frenetischen Anhängern gespalten ist. Eine Grundvoraussetzung, um an Doom 3 Spaß zu haben, ist es, dass es Euch gefällt, wenn man euch Angst einjagt, vor den Kopf stößt und bestraft.

Jetzt wo wir das geklärt haben, möchte ich noch ein paar Dinge erwähnen, welche die Gesamtwirkung des Spiels wirklich ruinieren können. Wenn Ihr Euch im Grunde zutraut, das Genre gut zu finden, aber es irgendwie nicht so recht funktionieren will, empfehle ich dringend die Überprüfung der folgenden Punkte:

1) Lautstärke
Sozial eingestellte Menschen, die jederzeit darauf bedacht sind, die Nerven ihrer Nachbarn und ihrer Familien zu schonen, neigen dazu, mit relativ geringer Lautstärke zu Werke zu gehen. Riesiges Problem. Doom 3 stellt meiner Meinung nach eine wirklich großartige Sound-Kulisse auf, und diese trägt sehr viel zur Gesamtatmosphäre bei, nur funktioniert das einfach nicht mehr unterhalb einer gewissen Lautstärke. Wenn ihr den Ton wirklich nicht lauterstellen könnt, sind Kopfhörer einen Versuch wert. Mir wurde auch gesagt, dass Surround-Lautsprecher nochmals signifikante Vorteile gegenüber einem Stereosystem haben sollen. Ich war mit Stereolautsprechern schon sehr zufrieden, aber wenn ihr ein Surroundsystem daheim stehen habt, dann probiert es unbedingt mal aus.

2) Schatten
Spielt nicht ohne Schatten. Wenn's an der Performance klemmt, dann stellt von mir aus die Auflösung und sämtliche Details bis auf's Minimum herunter, aber denkt nicht einmal daran, die Schatten zu deaktivieren. Ohne Schatten verpasst ihr das halbe Spiel.

3) Nicht hetzen
Doom 3 ist nicht Unreal Tournament. Ihr habt es mit dem derzeitigen Top-Titel des "Survival horror"-Genres zu tun, und solltet für den vollen Gegenwert auch dementsprechend spielen. Schnell durchackern bedeutet keinen höheren Genuß. Im Gegenteil, Ihr würdet an der hochdetaillierten und liebevoll konstruierten Spielwelt einfach nur vorbeirennen, von den eindrucksvollen Geräuschkulissen ganz zu schweigen. Wenn sich das Durchrennen für Euch als erfolgreich erweist, dann seid ihr wahrscheinlich einfach (durch andere Egoshooter) zu "trainiert" für das Spiel. Dann würde ich empfehlen, den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, um Euch etwas zu bremsen.

4) Spielt nicht mit müdem Kopf
Wenn ich tief in die Nacht hinein spielte, musste ich feststellen, dass mein Stil immer mechanischer wurde. Anstatt mich wie ein guter Angsthase zu benehmen, stolperte ich einfach stur voran. Ich wollte mich aber fürchten, und da das nur klappte, wenn ich wach war, brach ich die Sitzungen immer ab, sobald sich die Müdigkeit bemerkbar machte. Also zusätzlich zu den üblichen Nachteilen von zu langen Sitzungen, wie Verschlafen, Termine verpassen, etc, bekommt man einfach nicht mehr den vollen Genuß. Dafür sollte man meiner Meinung nach absolut wach und aufmerksam sein.

5) Licht aus
Nichts ist schädlicher für die Spielatmosphäre als die Aussicht auf einen lauschigen Sommertag durch's Fenster. Oder auch der Anblick irgendwelcher "realen" Einrichtungsgegenstände, der Euch daran erinnern könnte, dass Ihr nicht wirklich von Heerscharen von Dämonen gejagt werdet, sondern wohlbehütet in eurer Wohnung sitzt. Der Zettel in der Schachtel empfiehl ausdrücklich, dass man zum Spielen das Licht ausschalten, und die Fenster verrammeln soll. Und da ist tatsächlich was dran.

Und wenn das wirklich alles nichts hilft, dann müsst Ihr Euch einfach damit abfinden, dass Doom 3 nicht Eure Art von Spiel ist. Daran ist ja auch nichts verkehrt *schulterzuck*.


Ich danke nggalai für die von ihm beigesteuerten Zusätze, sowie für das Korrekturlesen der englischen Fassung.



Nachtrag vom 29. August 2004:

Was passiert, wenn ein mehr oder weniger unvorbereiteter und zudem "etwas" schreckhafter Mitbürger Doom 3 spielt? Seht es Euch selber an :-).






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