T&L - das nicht eingelöste Versprechen
19. August 2001 / von aths / Seite 6 von 7
Wie Meinungen gemacht werden
Wieso nun wurde (und wird hier und da noch immer) T&L als so unverzichtbar angesehen? Warum hat sich die durchschnittliche Framerate als Hauptmerkmal einer Grafikkarte durchgesetzt? Obwohl zum Beispiel die niedrigste Framerate im Vergleich mit dem Durchschnitt auch sehr aussagekräftig ist? Framerate alleine ist meiner Meinung nach nicht alles. Man vergleiche zum Beispiel die Qualität von Unreal Tournament in 16 Bit je auf einer Voodoo3 und einer beliebigen GeForce oder Radeon. Oder bei einem modernerem Spiel die Qualität einer beliebigen Kyro in 16 Bit mit irgendeiner anderen Karte bei 16 Bit. Es ist nicht fair, zu behaupten, eine GeForce2 MX sei zumindest bei 16 Bit schneller als eine Kyro1. Denn ein Blick auf die Qualität der Grafik macht hier einen Vergleich unmöglich.
Man könnte sich auch die Frage stellen, wieso in den meisten Köpfen bei den Grafikkarten die Anzahl verbauter MB als am wichtigsten angesehen wird. So nach dem Motto, dass nur auf guten Grafikkarten auch viel Speicher eingesetzt wird. Dass Marketing-Strategen diese Denkweise durchschauen und angesichts der Speicherspreise danach handeln, wird von den meisten nicht zur Kenntnis genommen. "32 MB 3D-AGP-Grafikkarte": Das kann eine lahme Krücke wie die TNT2 Model64 sein, um die es sich bei solchen Angaben in der Regel handelt. Theoretisch aber auch eine GeForce2 GTS, welche sehr viel schneller ist. Es gibt Karten mit 64 MB, die deutlich langsamer sind, als andere mit nur 16 MB. Eine GeForce2 MX-200 mit 64 MB hat eine Speicherbandbreite von 1,2 GB/sec; die Voodoo3 3500 mit 16 MB von 2,7 GB/sec. Daher ist sie viel schneller als die MX-200.
Doch Schuld haben auch etliche Redakteure, zum Beispiel jene, die eine Kyro2 in der GeForce2 MX-Liga sehen. Obwohl dorthin bereits die alte Kyro gelangt, während ihr Nachfolger eher mit einer GeForce2 GTS zu vergleichen ist. Sogar Fachmagazine, unter anderem die angesehe c´t, blamieren sich hier: Offenbar reicht es, wenn nVidia in einem pdf-Dokument die Kyro II (übrigens ziemlich unfair) mit der MX vergleicht und schon ist es "offiziell", dass beide Karten ähnliche Leistungen bringen. Erst vor kurzem äusserte sich ein Spiele-Entwickler in der PC Games Hardware ähnlich, was die Leistung des Kyro2 betrifft. Das darf eigentlich nicht mehr passieren, denn die Kyro2 schlägt eine GeForce2 MX bei aktuellen CPUs geradezu vernichtend.
Eine andere Variante davon ist, daß Redakteure blind ihren Standard-Benchmarks vertrauen: Eine Auswahl repräsentativer Spiele zu testen, ist viel aufwändiger als einfach den 3DMark laufen zu lassen. Dieser zieht jedoch aus T&L grossen Nutzen und verzerrt so das Bild extrem. Doch auch das klärt noch nicht alles: Laut 3DMark2000 ist eine Riva TNT2 Pro auf einem Pentium III 500 schneller als eine Voodoo5 5500 (ebenfalls auf einem Pentium III 500). Ganz offensichtlich wurden die nVidia-Treiber gehörig extra für diesen Benchmark optimiert. Doch wo wurde dies angeprangert? Warum erzeugte die Entdeckung, dass viele nVidia-Treiber GDI-Bypassing (Umgehung der Windows-Architektur auf Kosten der Stabilität und Kompatibilität) verwenden, in den Fachmagazinen keinen Aufruhr? Immerhin positioniert man sich so gerade für synthetische Benchmarks in eine bessere Lage als die Mitbewerber.
Vergleicht man die Leistung einer Riva TNT2 Pro und einer Voodoo5 in realen Spielen, wendet sich natürlich das Blatt - und dies selbst, wenn die Voodoo5 nur mit halber Leistung (mittels 2xFSAA) antritt. Obwohl die eine Karte nicht einmal halb so stark war wie die andere, schnitt sie in 3DMark2000 besser ab. Soviel zum "Ergebnis" des am meisten genutzten Grafikkarten-Benchmarks aller Zeiten. Kommt zusätzlich T&L ins Spiel, was wie schon erwähnt das Ergebnis ebenfalls krass verzerrt, stehen Gewinner und Verlierer von vornherein fest. Die Frage ist nur, was gewonnen wurde. Der Spitzenplatz für eine Engine, die alles andere als repräsentativ ist. Denn der 3DMark nutzt generell, gerade jedoch in der 2000-er Version, sehr viel statische Geometrie. Damit kommt eine T&L-Einheit gut zurecht. Spiele-Grafik wird jedoch deutlich interessanter, wenn sie dynamisch ist.
Der Score beurteilt nicht die 3D-Leistung des Systems, sondern die Fähigkeit, diesen Benchmark zu absolvieren.
Die Macht der Medien
Der Verweis auf das eingangs genannte Spiel Max Payne, wo ähnliche Technik wie im 3DMark zum Einsatz kommt, ist ebenfalls ohne Aussagekraft. Ein einziges Spiel kann nicht repräsentativ für den Durchschnitt sein. Würde man zum Beispiel Ultima XI als "die" Engine zum benchen benutzen, käme man zum Ergebnis, dass sowohl eine Radeon SDR als auch eine Kyro 1 schneller als eine GeForce3 sein würden. Warum der 3DMark und vielleicht noch Quake III Arena (ebenfalls ein Titel, der aus T&L Nutzen zieht) repräsentativ für den Durchschnitt sein soll, wurde nirgends hinreichend begründet. Es wurde konsequent vernachlässigt, dass es z.B. mehr auf der Unreal (Tournament)-Engine basierende Spiele gibt, welche kein T&L nutzen, als es Spiele auf Quake3-Basis gibt, und T&L unterstützen. Die CPU-Limitierung von UT hin- oder her. Quake3, das häufigste zum Benchen herangezogene Spiel, ist nicht repräsentativ. T&L-Karten sind hier natürlich etwas im Vorteil und schneiden bei den "Praxis"-Tests entsprechend besser ab.
Ich sehe hier eine Erwartungsfalle: Wenn T&L morgen kommen soll, könnte man ja schon heute darauf benchen. T&L kam jedoch nie so recht in Fahrt. Aber so stehen T&L-Karten trotzdem gut da und setzen sich "leistungsmäßig" ab. Obwohl dieses Feature in der Praxis bis heute wenig relevant ist. Das Prinzip Zukunfts-Glauben herrscht auch an der Börse. Man könnte salopp sagen: Die hohe Bewertung der NVDA-Aktie verleiht wiederrum der Behauptung Gewicht, dass man mit T&L auf dem richtigem Dampfer sei. Das ist zwar letztlich ein Zirkelschluss. Doch seit sie T&L forcierten, gelten sie als technologische Spitzenreiter in der 3D-Chip Enwicklung; was sich gleichermaßen in Previews und Aktienkurs niederschlägt.
In dieser Monokultur von GeForce, T&L und nVidia halten sich bestimmte Vorurteile sehr lange. Es gibt noch heute eine Menge Leute, die mit Verweis auf den 3DMark eine GeForce2 MX für besser als eine Voodoo5 oder Kyro2 halten. Obwohl es sich hier ebenfalls um ganz andere Ligen handelt. Eine Karte zu benchen und das Ergebnis zu deuten sind eben zwei verschiedene Dinge. Alleine der Fakt, dass ein Bench mit dem 3DMark zumindest im Verbund mit Quake III Arena von der überwiegenden Menge als ausreichend für eine Grafikkarten-Bewertung angesehen wurde, lässt annehmen, dass die "Tester" lediglich ihre Vermutungen bestätigt sehen wollten: T&L muss bei einer vernünftigen Grafikkarte einfach drin sein.
Der Aufstand um beeindruckende Demos wie X-Isle (welche Grafik zeigt, wie sie bislang in keinem Spiel vorkommt) behinderte zusätzlich, dass Konkurrenz-Features auch nur halbwegs gebührend wahr genommen wurden und werden. Denn über diese - in der Tat erstaunlichen - Effekte zu berichten, wird mehr Käufer interessieren, als sich trockenen Berechnungen zum Thema Speicherbandbreite oder sichtbarer Füllrate zu widmen. Bei den Grafikdemos gibt es ja auch immer wieder mal neue Versionen. Die Redakteure kennen sich dann schon aus und berichten fundiert von den reinen Technologie-Demos. Dabei kann man jedoch leider auch feststellen, dass ihr Detail-Wissen bei anderen Grafikkarten oft deutlich weniger tief ist.
Schöne Grafikdemos zeigen erstaunliche Effekte. Hier ein Screenshot vom erwähnten X-Isle.
Ein ähnliches Spiel ist bei den Detonator-Treibern zu beobachten: Die Magazine und Web-Seiten werden ständig auf Trab gehalten. Der neueste Treiber könnte 1% mehr fps bringen, das will der Leser wissen, also wird erneut gebencht. Und in Foren wird diskutiert, welches Spiel 2 fps schneller geworden ist, und welche alten Spiele mit dem neuen Detonator nicht mehr oder nur noch mit Grafikfehlern laufen. Genauso wie jeder nVidia-Chip immer wieder erneut getestet wird. Weil wieder einmal ein neues Grafikboard mit einem GeForce-Chip auf den Markt gekommen ist. So gelang es nVidia, in der Öffentlichkeit eine übermäßig starke Präsenz einzunehmen sowie diese meinungsbildend zu beeinflussen. Und T&L per Definition zum Zukunft-Feature zu erklären, das jede Grafikkarte braucht.