3dfx - Das Ende einer Ära
16. Dezember 2000 / von Leonidas
Die große Katastrophe ist perfekt. 3dfx zog gestern abend den Schlußstrich unter das desaströse Ergebnis der Geschäftstätigkeit der letzten drei Quartale und wird die Firma zum Ende des Jahres hin auflösen. Im gleichen Atemzug übernimmt Hauptkonkurrent nVidia Markenname, Technologie, Patente und Sachwerte für ca. 250 Millionen DM - Geld, mit welchem 3dfx die angelaufenen die riesigen Schulden wenigstens zum Teil tilgen wird müssen. Einzelheiten sind der News von 3D Concept zu entnehmen.
Für uns als Käufer bedeutet daß erst einmal dies: 3dfx wird kaum noch Grafikboards mehr an die Händler ausliefern, wer jetzt noch eine Voodoo-Karte wünscht, sollte sehen, daß er diese schnellstmöglich noch aus den Lagerbeständen der Händler bekommt. Eine weitere Treiber-Entwicklung wird es nicht geben (auch nicht seitens nVidia), ergo werden die aktuellen Treiber mit allen ihren Vorzügen, Schwächen und ungeklärten Details die letzten verfügbaren sein. Letzte Möglichkeit wäre allerhöchstens, daß diese 3dfx-Mitarbeiter, welche noch bis ins nächste Jahr hin den Support am laufen halten sollen, aus den momentan in der Entwicklung befindlichen Treibern doch noch einmal ein Final Release basteln.
Ob 3dfx´ NextGen-Chip Rampage je bei nVidia erscheint, wäre fraglich. Zum einen kostet selbst das letztendliche Produzieren eines eigentlich fertigen Chips auch noch Geld, zum anderen bräuchte man dafür einen Teil der mit diesem Projekt vertrauten 3dfx-Entwickler-Mannschaft - das jemand von diesen aber zu nVidia geht, ist dato nicht bekannt. Ich will jetzt nicht ausschließen, daß nVidia einfach doch noch einen Rampage herausbringt - aber wozu sich Konkurrenz zum eigenen NV20 schaffen?
Ob die Voodoo5 - selbst mit den neuen VSA-101-Chips - weiterproduziert wird, ist noch nicht abzusehen. Da in Taiwan solche Chips gesichtet wurden, könnte man überlegen, ob nVidia die Voodoo5-Linie nach einer gewissen Übergangsdauer weiterproduziert - wenn sie entsprechend wirtschaftlich ist, warum nicht? Weiterführende Aktivitäten, wie höhere Taktungen oder OEM-Chargen sind allerdings auszuschließen, für alle diese Teilmärkte hat nVidia eine haus-eigene Alternative und wird diese zu verkaufen versuchen.
Über all diesem schwebt natürlich die Frage: Wie konnte es so weit kommen? Sieht man sich nur die Entwicklung der letzten Monate an, fällt auf, daß 3dfx zeitgleich mit größeren Umsatzeinbrüchen anfing, zum ersten Male größere Verluste einzufahren - auch wenn es in den Quartalen davor (seit Anfang 1999) auch schon ständig geringe Verluste gegeben hatte. Letztendlich scheiterte 3dfx aktuell daran, daß die Firma zu groß und unbeweglich geworden war. Andere Grafikchip-Hersteller sind dabei wesentlich kleiner, aber bei weitem nicht so unprofitabel wie 3dfx. Dem geringer gewordenen Umsatz und Marktanteil hat 3dfx einfach nicht Rechnung getragen durch eine grundlegende Restrukturierung des Unternehmens und produzierte somit immer weiter höher steigende Verlustzahlen, welche letztendlich zu diesem Crash führen.
Zwei Mitschuldige wären noch zu identifizieren: Zum einem die Börsianer und Analysten. Zumindestens bei der aktuellen Art und Weise, wie 3dfx nun das Geschäft aufgibt, ist der Börse ein großer Teil der Schuld zu geben. Im Herbst waren 3dfx´s Aktien ca. 200 Millionen Dollar wert - nVidia 4 Milliarden Dollar, ergo das 20fache. Jeder, der ein wenig Ahnung vom Grafikkarten-Markt hat, weiss, daß dies Nonsens ist - sogar unabhängig von nVidia´s Aktivitäten außerhalb des eigentlichen PC-Marktes (X-Box). Was die Analysten eben leider nicht einrechnen ist die Tatsache, daß das Unternehmen "nVidia 2000" nichts mit dem Unternehmen "nVidia 2001" zu tun haben muß - in kaum einer Branche ändern sich die Zeiten so schnell. Zwei schlechte Chips (oder eben ein schlechter und ein verschobener) - und man ist weg vom Fenster. Ein guter - und man ist wieder da.
Eine aktuelle Marktposition sagt damit im Grafikkarten-Business nichts über Zukunftsaussichten aus. Börsenkurse basierend zum größten Teil auf Zukunftsaussichten - und die kann man eigentlich in diesem Markt gar nicht bewerten. Genauso wie also nVidia überbewertet ist, wäre 3dfx unterbewertet: Ein guter Chip und die Welt sieht wieder rosig aus. Allerdings wäre es zu bezweifeln, daß die Börsianer und Analysten so viel technischen Sachverstand besitzen, um dies vorauszusehen. 3dfx scheitert ja nun aktuell daran, daß nicht genügend Geld aufgetrieben werden konnte, um den Rampage produktionsreif zu bekommen - angenommen, die Aktien stünden wesentlich freundlicher, wäre dies wohl kaum ein Problem gewesen. Zumindestens für die Art und Weise des Crashs wäre das Unverständnis der Börse gegenüber den Besonderheiten des Grafikkarten-Marktes verantwortlich zu machen.
Ein weiterer Mitschuldiger am 3dfx-Ende ist die schreibende Zunft. Diese Schuld ist eher langfristig anzusiedeln, ist aber vorhanden und hat sicher ihren Teil beigetragen. Ich rede hier über die Unfähigkeit der Jounalie, die 3dfx-Produkte fair zu bewerten. Dies fängt eigentlich schon zu den 3dfx-Anfangstagen mit Voodoo1 und Voodoo2 an - beide wurden von einem großen Teil der Presse schlicht ignoriert und statt dessen eine Matrox G200 als 3D-Spitzenreiter gefeiert (als ob die je eine Chance auch gegen nur eine einzelne Voodoo2 gehabt hätte). Erst mit 3dfx´ 2D/3D-Kombi-Produkten Banshee und Voodoo3 besserte sich das und 3dfx wurde überhaupt zu den Tests "zugelassen".
Ein weiterer schwerer Fehler der Journalie war das Übersehen von offensichtlichen Tatsachen bezüglich Anspruch und Wirklichkeit von neu aufkommenden 3D-Features. Konkret geht es dabei um die Hauptmangel-Punkte an 3dfx´ Vor-Voodoo5-Hardware: Fehlendes AGP-Texturing und fehlende 32 Bit Farbtiefe. Ersteres ist ein besonders deutliches Beispiel: Selbst heute wird dieses kaum genutzt - ein schöner Fall von kompletter Fehleinschätzung der "Fach-Presse". Weitaus schlimmer, weil auch den Technik-Laien ein Begriff, ist das angeblich unentschuldbare Fehlen von 32 Bit Farbtiefe in der Voodoo3. Selbst aus damaliger Sicht war ziemlich klar zu erkennen, daß dieses Feature nur wirklich sinnvoll nutzbar wäre bei zukünftigeren schnelleren Grafkkarten. Zu den großen Zeiten der Voodoo3 und der RivaTNT 1/2 ist 32 Bit Farbtiefe kaum von den Gamern genutzt wurden. Jeder der selbst ernannten 3D-Experten hätte eigentlich sehen müssen, daß 32 Bit auf damaliger Hardware nichts bringt, weil entweder die Spiele darauf gar nicht vorbereitet waren (Quake2, Unreal) oder aber den Wechsel von 16 auf 32 Bit mit 40 bis 60 %igen Frameraten-Einbrüchen bestraften.
Zusammen mit der falschen Ansicht, 25 fps im Durchschnitt würden für flüssiges Spielen reichen, wurde der 32-Bit-Modus der RivaTNT 1/2 massiv hochgejubelt und man konnte im Gegenzug in jedem Bericht zu Voodoo3 Kritik an dessen 16-Bit-only Framebuffer lesen. Dies hat langfristig sicher auch mit dazu geführt, daß 3dfx einiges an Marktanteil verloren hat - und zwar unberechtigt. Zu Zeiten der Voodoo3 waren die Features "AGP-Texturing" und "32 Bit Farbtiefe" einfach noch nicht sinnvoll. Die Fach-Presse hätte das erkennen müssen. Innerhalb der Gamer-Szene ist z.B. das Fehlen von 32 Bit bei der Voodoo3 als nie so schwerwiegend empfunden wurden.
Was bleibt? Es bleibt die Katastrophe - für den Markt und für die Endanwender. Eigentlich müssten nVidia´s Aktien am Montag um einiges klettern. Denn unabhängig vom geringem Anteil von 3dfx am Gesamtmarkt (in welchem die OEM-Anbieter dominieren), 3dfx war der einzige, der nVidia hätte je gefährlich werden können. Aber wahrscheinlich werden die Analysten selbst diese einfache Wahrheit hinter ihren Zahlenkolonnen übersehen.
Ich setze nicht auf ATi oder auf Matrox - beide zeigen bei weitem nicht den Elan, den nVidia und 3dfx bei der Entwicklung neuer Produkte an den Tag gelegt haben. Und ATi & Matrox werden sich jetzt wahrscheinlich stärker denn je um ihre Kern-Kompetenzen kümmern - bei ATi das OEM- und Mobile-Geschäft und bei Matrox der Business-Markt. Ein Angriff auf nVidia´s Kompentenz im HighEnd-/Consumer-Markt birgt das Risiko, an der momentanen nVidia-Übermacht einfach zu zerschellen. Für die beiden anderen Hersteller ist also eher Sicherung der aktuellen Position angesagt als der Versuch, sich einen Teil vom 3dfx-Kuchen abzuschneiden.
Für uns Gamer heißt das letztendlich, das wir vor einem de facto Monopol stehen. ATi und Matrox werden in unregelmäßigen, aber langen Abständen den einen oder anderen guten Chip herausbringen und damit auch ihre Anhänger erreichen können. Mit der momentanen Marktmacht und der technologischen Führerschaft im Rücken zuzüglich der über 3dfx aquirierten Gigapixel-Technologie (ähnlich der des KYRO) kann nVidia momentan niemand im Consumer-Markt das Wasser reichen. nVidia ist momentan sogar in der Position, daß man sich ein bis zwei mittelmäßige Chips leisten könnte, was früher ein ähnliches Schicksal wie nun bei 3dfx bedeutet hätte.
Langfristig bedeutet daß leider für uns als Hardware-Käufer auch eine Stagnation der Preise auf diesem hohen Niveau. Wir werden ähnliches wie auf dem Prozessor-Markt der 90er Jahre erleben: Preise werden nur gesenkt, um die Absatzzahlen bald auslaufender Produkte zu steigern und damit die nächste Generation mit weiterhin hohem Einstiegspreis vorzubereiten. Vor den Athlon-Jahren hatte Intel da ein ganz einfaches System: Eine neue CPU stieg mit 2000 DM ein, wurde zwei Jahre lang immer wieder ein Stückchen billiger, um dann mit ungefähr 400 bis 500 DM den niedrigsten Stand zu erreichen (die regelmäßigen Billig-Linien einmal ausgenommen). Ähnliches könnte uns nun blühen: Ein neue Grafikchip steigt bei ca. 1200 DM und wandert innerhalb anderthalb Jahre in Regionen um die 200 DM ab, um dann entgültig auszulaufen. Der Durchschnittspreis von Grafikkarten wird damit auf jeden Fall auf dem heutigem hohen Niveau zemetiert werden.
Möglich, daß dies dem einen oder anderem Newcomer im Grafikchip-Business eine Seiteneinstiegsmöglichkeit eröffnet. Videologic z.B. scheint mit dem KYRO auf dem richtigen Weg, da ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis gefunden wurde. Ein Newcomer ist diese Firma aber bei weitem auch nicht - es ist eh zweifelhaft, ob bei der Kompexität der heutigen Designs überhaupt noch Neugründungen eine ernsthafte Chance haben werden. Die nötigen Anfangs-Investitionen sind bei weitem höher als vor fünf Jahren zu 3dfx-Gründerzeiten und die Bereitschaft der Kapitalgeber zu diesen Investitionen in einen Newcomer könnte angesichts der schieren Größe und Marktmacht von ATi, Matrox & nVidia sehr gering ausfallen.
Letztendlich erleben wir damit nicht nur das Ende von 3dfx´, sondern auch das Ende des wettbewerbs-freudigen Consumer-Marktes. Aus ursprünglich einmal fünf großen plus einiger kleiner hoffnungsvoller Chip-Anbieter wurden so innerhalb weniger Monate nur noch drei große - die kleinen sind bis auf Videologic alle raus aus dem Consumer-Markt. nVidia und ATi werden zukünftig kaum noch gezwungen sein, ihre Entwicklungen in solche rasantem Tempo voranzutreiben, Matrox wird sich wohl noch stärker auf das Business-Segment konzentrieren. Damit sehen wir heute dem Ende einer Ära von ständigen Innvovationen und des technologischen Fortschritts entgegen. Und dies ist die eigentliche Katatrophe ...
Persönliche Anmerkung: Mit 3dfx geht der Pionier der 3D-Grafikkarten, welcher diesen überhaupt erst zum Durchbruch verholfen hat (und unter anderem Quake und id Software zur - freien - OpenGL-Schnittstelle). Wir alle - auch die nVidia-Anhänger - haben 3dfx sehr, sehr viel zu verdanken und sollten in dem Sinne ein gutes Andenken an diese Firma behalten. Ich persönlich bedauere diese Entwicklung zutiefst und bezeichne den heutigen Tag als einen schwarzen Tag.
Links zum Thema:
3D-Grafikspezialist Nvidia übernimmt Konkurrenten 3dfx (d) [Heise]
3dfx am Ende: NVidia kauft die Perlen (d) [3D Concept]
John Carmack kommentiert 3dfx-Pleite (d) [3D Concept]
3dfx: Eine Chronologie des Niedergangs (d) [3D Concept]
3dfx Abschiedsbrief (e) [Rivastation]
Press Release: 3dfx Announces Three Major Initiatives To Protect Creditors and Maximize Shareholder Value (e)
[3dfx]
Press Release: nVidia To Acquire 3dfx Core Graphics Assets (e) [nVidia]
nVidia - 3dfx Transaction Interview (e) [Tresh´s FiringSquad]
Interview with nVidia about 3dfx Acquisition (e) [Gamers Depot]
Nachtrag vom 18. Dezember:
Es ist eventuell falsch rübergekommen, daß ich ausschließlich andere für 3dfx´ Crash verantwortlich mache. Natürlich liegt die Hauptschuld an 3dfx, dies hielt ich für so klar, daß ich es leider nicht erwähnte. Letztendlich hat 3dfx Marketing-technisch einfach zu viel falsch gemacht. Entweder man konzentriert sich bedingungslos auf die Führerschaft im HighEnd-Segment und nimmt notfalls auch Verluste in Kauf, um nVidia die Krone wieder abzujagen oder aber man drängt mit aller Macht in den OEM-Markt, um sich eine langfristige und sichere Einnahmequelle aufzubauen. 3dfx schwankte die ganze Zeit zwischen beiden Positonen und hat sich so maßlos verzettelt. Somit hat man sich eine Situation "aufgebaut", in welcher alles nur noch vom zukünftigen Rampage abhing. Nur daß Analysten und Kapitalgeber a) sowieso schon durch die 3dfx-Vergangenheit verschreckt waren und b) neue Kredite lieber aufgrund von Wachstums-Aussichten geben als aufgrund eines neuen, für technische Laien nicht einschätzbaren, Chip-Designs. Man hätte aber IMHO überleben können - wenn die Kredite bis zum Rampage gereicht hätten.