3Dlabs "P10" Preview
5. Mai 2002 / von Leonidas / Seite 2 von 3
Die zweite wesentliche Stärke des P10 ist die vollkommene Abkehr vom derzeitigen Prinzip der festverdrahteten Funktionen eines Grafikchips. Während bis zu DirectX7 alle Funktionen eines Grafikchips weitestgehend festverdrahtet waren und mit DirectX8 nur eine teilweise und eingeschränkte Programmierbarkeit an gewissen Stellen Einzug gehalten hat, geht 3Dlabs diesbezüglich einen komplett radikalen Weg: Fast alles im P10 ist programmierbar. Deswegen sieht der Chip auch mehr aus wie eine CPU als denn wie ein herkömmlicher Grafikchip. 3Dlabs nennt diese Architektur im übrigen "Visual Processing Architecture" und die entsprechenden Chips "Visual Processing Unit" (VPU):
3Dlabs P10 Blockdiagramm (Klicken zum Vergrössern)
3Dlabs stellt mit diesem Konzept im Prinzip alles auf den Kopf, was es bisher bei Grafikchips gab - diese Revolution ist wohl fast so groß wie 3dfx´ legendärer Voodoo-Chip. Erreicht wird dies über 208 einzelne SIMD-Einheiten im Chip, wie wir sie (in größerem Maßstab) aus den modernen CPUs von AMD und Intel kennen. Mit der richtigen Software (Treiber) können diese SIMD-Einheiten nahezu jedes gewünschte Ergebnis berechnen - wie eben eine CPU, welche schließlich auch keinerlei Beschränkung bei der von ihr lösbaren Aufgaben hat, außer der reinen Rechnenleistung natürlich.
Allerdings wird der Chip dabei nicht direkt angesprochen, da die Spieleprogrammierer ganz sicher nicht extra Programmierungen für einzelne Chips erstellen werden, auch wenn dies natürlich eine optimale Ausnutzung der einzelnen Architekturen bedeuten würde. Der Spieleprogrammierer hält sich vielmehr einfach an DirectX8, DirectX9, OpenGL 1.3 oder OpenGL 2.0 - den Rest macht der Treiber. Somit stellt sich der 3Dlabs-Chip trotz völlig umgekrempelten Innerem für die Spieleprogrammierer nicht komplizierter dar als die Chips von ATi & nVidia.
Um den Leser dieser Zeilen jetzt aber nicht mit zu vielen technischen Details zu P10-Internas quälen zu wollen, konzentrieren wir uns lieber auf das, was mit dieser fast totalen Programmierbarkeit machbar ist und was dies für Folgen haben wird:
1. 3Dlabs´ P10-Chip kann wohl erst einmal alles darstellen können, was sich die Spieleprogrammier so in den nächsten Jahren ausdenken - auch Sachen, die heute noch nicht einmal angedacht werden. Laut 3Dlabs wird DirectX 8.1 vom P10-Chip vollständig unterstützt, eine weitestgehende Unterstützung für die mit DirectX9 kommenden Vertex und Pixel Shader 2.0 wird es genauso wie die Unterstützung von OpenGL 2.0 (3Dlabs ist maßgeblicher Entwickler, der P10-Chip ist eine Entwicklungsplattform für OpenGL 2.0) definitiv geben. Daß 3Dlabs nicht direkt "DirectX9-kompatibel" an seine Chip schreibt, hängt wohl auch damit zusammen, daß DirectX9 wie auch OpenGL 2.0 noch nicht veröffentlich sind. Theoretisch gesehen stellt dies aber kein Hindernis für den P10 dar: Im Prinzip lassen sich auch DirectX 10, 11, ... vom P10 unterstützen, sofern es nicht um Features bezüglich der technischen Architektur, sondern um darstellbare Grafikeffekte geht. Denn mit seiner vollen Programmierbarkeit wird der P10 jeden nur denkbaren Grafikeffekt darstellen können, sofern 3Dlabs dafür einen Treiber bereitstellt. Der Zukunftsfähigkeit des P10-Chips sind damit eigentlich keine Grenzen gesetzt - naja, fast zumindestens. Erstens hängt es an den Treibern, welche immer wieder auf den neuesten Stand von DirectX und OpenGL gebracht werden müssen. Dies wird natürlich für 3Dlabs irgendwann, wenn der P10 schon lange von Nachfolge-Produkten abgelöst wurde, unlukrativ werden. Zweitens wird diese Zukunftsfähigkeit automatisch nur so lange funktionieren, bis die nächste ähnlich bahnbrechende Revolution im Grafikchip-Business kommt - mehr als 10 Jahre werden es also kaum sein. Und der dritte Punkt ist die reine Leistungsfähigkeit des Grafikchips, welche sich natürlich wie bei jeder Hardware über kurz oder lang erschöpfen wird. 2. Die Folgen dieser fast völlig freien Programmierbarkeit der Grafikchips werden derzeit sicher noch kaum wahrgenommen, allerdings kann man sich diese bereits jetzt ausrechnen. Es wird - sollten sich diese Art von Chip-Architekturen auch bei ATi & nVidia durchsetzen (davon ist über kurz oder lang auszugehen) nicht mehr die Frage existent sein, welche Grafikeffekte ein Chip beherrscht, sondern nur noch, wie schnell er diese beherrscht. Denn jeder Grafikeffekt wird darstellbar sein - selbst ein Effekt des Jahres 2006 auf einem Chip des Jahres 2003. Damit werden die Grafikchips möglicherweise eine nie gekannte Kompatibilität zueinander entwickeln - ähnlich den Prozessoren bzw. sogar besser als diese. Das zukünftige Unterscheidungskriterium wird ausschließlich die Performance sein - abgesehen natürlich von den non-3D-Features. Und da nichts so gut die Performance steigert wie höhere Taktraten, werden wir - sobald mehrere Marktteilnehmer solche Chips im Angebot haben - ein Megahertz-Wettrennen wir derzeit auf dem Prozessoren-Markt sehen. Sollten sich diese Art von Architektur durchsetzen, wird sich zudem der derzeitige Innovationsrythmus von 6-9 Monaten bei Grafikchips nicht halten lassen, da die Architekturen dafür viel zu komplex werden und zudem sehr viele Ressourcen für das Erreichen immer höherer Taktfrequenzen verwendet werden müssen, da dies den schnelleren Weg zu mehr Leistung darstellt. Kurz gesagt: Der Grafikchip-Markt wird dem Prozessoren-Markt sehr ähnlich werden. |
Ok, letzteres ist Zukunftsmusik, welches natürlich davon abhängt, in wie weit sich 3Dlabs´s P10-Chip durchsetzen kann und demzufolge die anderen Chipschmieden dazu animiert, ähnliche Projekte anzugehen. Sehr gut möglich ist, daß es erst 2004 vergleichbares von ATi & nVidia geben wird, schließlich entwirft man einen derartigen Chip nicht über Nacht. Trotzdem kann man derzeit davon ausgehen, daß die von 3Dlabs mit dem P10 vorgestellte Architektur die Zukunft darstellt.