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Probleme von Software-Patenten

17. Mai 2004 / von Leonidas / Seite 2 von 2


Diese Prüfungen nicht zu tun, wäre hingegen grob fahrlässig, denn dann könnte der Patent-Inhaber den Vertrieb des neu erstellten eigenen Programms sofort nach dessen Veröffentlichung mittels des Patentrechts stoppen lassen. Dies ergibt ganz nebenbei eine erhebliches Innovationshemmnis, denn sobald die voraussichtlichen Prüfungskosten für die Patentanwälte zu hoch werden, kann sich die Entwicklung eines neuen Programms eventuell nicht mehr rentieren - obwohl jenes im Fall ohne Patent-Prüfungskosten rentabel wäre.

Problematisch ist dieser Punkt insbesondere für kleinere Firmen oder freie Software-Entwickler, welche (sicherlich nicht billige) externe Patent-Anwälte beschäftigen müssten - im Gegensatz zu den großen Firmen der Branche, welche dafür eigene Rechtsabteilungen haben. Eine Verlagerung der Innovationsfreudigkeit hin zu den Großkonzernen ist jedoch wirtschaftspolitisch sicherlich nicht wünschenswert und wäre politisch wohl auch von keiner Partei tragbar. Nicht umsonst sprechen sich die für IT-Fragen verantwortlichen Abgeordneten aller im deutschen Bundestag vertretenen Parteien klar gegen Software-Patente aus.

Wirklich extrem wird es hingegen für die Programmierer von freier Software sowie von ausdrücklichen Freeware-Programmen. Denn auch diese würden durch Software-Patente gezwungen werden, ihre Programme entsprechend auf bestehende Software-Patente abgleichen zu lassen - doch wie soll das gehen, wenn die Programmierer keine Einnahmen durch ihre Programm generieren? Nicht umsonst gehört Microsoft zu den größten Befürwortern von Software-Patenten, obwohl man in Redmond aufgrund des nicht öffentlichen Quellcodes der Microsoft-Programme sowie einer äußerst agilen Rechtsabteilung sicherlich die wenigsten Probleme mit "Programmcode-Dieben" haben dürfte.

Aber Microsoft nutzen Software-Patente in erster Linie gegen OpenSource und speziellen Fall Linux, welches von Microsoft derzeit als größter Gegner der eigene Produkte angesehen wird. Wenn es Microsoft gelingen sollte, in Bezug auf das Windows-Betriebssystem tausender kleiner Software-Patente an sich zu binden, wäre es nahezu unmöglich, Linux als ganzes aufrechtzuerhalten. Hier greift wieder der Punkt, daß es für Logik-Probleme eventuell nur eine oder in der Anzahl wenige logische Lösungen gibt - und patentiert man diese, bleibt der Weg für andere versperrt, selbst wenn diese einen anderen Weg gehen wollten.


Generell gesehen kollidieren so die Ideen des Patentwesens direkt mit den Eigenheiten der IT-Welt: Das Patentwesen ist schließlich ursprünglich zur Förderung von Ideen & Innovationen aus der Taufe gehoben worden, doch die langen Laufzeiten von Patenten (üblicherweise 20 Jahre) funktionieren in der IT-Welt nicht, da in dieser der Stand von 1984 ungefähr dem entspricht, was dem Stand 1900 für die allgemeine Technik-Entwicklung darstellt.

Sollten Software-Patente also wenigstens funktionieren, müssten die Patent-Laufzeiten zwingend an die Gegebenheiten der IT-Welt angepasst werden, sprich alles über drei Jahre Laufzeit wäre ausgemachter Blödsinn. Danach hat die technische Entwicklung den vor drei Jahren aufgestellten Ansatz in den meisten Fällen längst überholt. Daß die meisten Patente nicht einmal innerhalb dieser drei Jahren von den Patentämtern bewilligt werden, steht auf einem anderen Blatt ;-). Zumindestens läßt sich sagen, daß der übliche Patent-Schutz auch für Software-Patente in etwa solche Auswirkungen haben könnte, als würden normale Patente aus der Technik-Welt 100 Jahre lang geschützt sein. Nun, jeder darf für sich selber ausmalen, wo wir heute technologisch stehen würden, wenn Technik-Patente eine Laufzeit von 100 Jahren hätten.


Fassen wir noch einmal kurz die grundsätzlichen Probleme von Software-Patenten zusammen:

  • 1. Software-Patente enthalten keine Erfindungen, sondern Logik. Patentierwürdig sind allerdings per Gesetz und Definition nur Erfindungen.

  • 2. Logiken zur Lösung eines Problems gibt es im Gegensatz zu technischen Problemen nicht in beliebiger Zahl. Durch die Patentierung von Logiken können so undurchbrechbare Monopole entstehen.

  • 3. Patente auf Logiken können deren Weiterentwicklung auf Jahrzehnte verhindern. Dies kann insbesondere bei dem normalerweise enormen Entwicklungstempo der Software-Industrie verheerende Auswirkungen haben.

  • 4. Patente auf Logiken werden die Entwicklung von Software erheblich verteuern sowie die von freier Software unmöglich machen, weil jedesmal alle benutzen kleinen Logiken (kostenspielig) darauf geprüft werden müssen, ob sie zufällig schon patentiert sind.

  • zusätzlich: Selbst wenn, sind die Laufzeiten für Software-Patente zu lang. Diese sollten an das enorme Entwicklungstempo der Software-Industrie angepasst werden und damit deutlich unterhalb der Laufzeit von normalen Technik-Patenten liegen.


An dieser Stelle angekommen, stellt sich dann letztlich die Frage, wieso die Alte Welt diesen enormen Wettbewerbsvorteil (gerade in einer Zeit, in welcher alle hinter noch mehr Wirtschaftswachstum hinterher rennen), nämlich das Software-Patente in der Europäischen Union derzeit noch nicht gelten (auch wenn das Europäische Patentamt offensichtlich widerrechtlich bereits kräftig Anträge entgegennimmt und bearbeitet), gegenüber der Neuen Welt so einfach wegwerfen will. Interessant hierzu ist im übrigen die Information, daß drei Viertel der bisher schon vom Europäischen Patentamt erteilten ca. 30.000 Software-Patente nicht von europäischen Firmen stammen - wo da also der Nutzen für die EU und seine Bürger liegen soll, ist fraglich.

Und man sollte sich diesbezüglich sicherlich nicht von der Pauschalisierung beeinflußen lassen, daß Software-Patente aus den Vereinigten Staaten kommen und wir sowieso alles (ein paar Jahre) später von diesen übernehmen. Amerika hat zwar die seltsame Tendenz, teils völlig über die Strenge schlagende neue Gesetzwerke wie beispielsweise auch den DCMA oder den Patriot Act zu erlassen, doch genauso auch die hierzulande kaum beachtete Angewohnheit, ein paar Jahre später entsprechend wieder zurückzurudern, dort, wo es zuviel des Guten war. Wir sollten für unseren Teil also vor dem Argument "Amerika tut es auch so" immer erst einmal abwarten, bis jenseites des Atlantiks genügend Praxiserfahrung gesammelt wurden und die ersten Änderungsgesetze verabschiedet sind, ehe wir uns auf "amerikanische Erfahrungen" beziehen.

Zudem ist nicht wirklich zu befürchten, daß die europäischen Software-Entwickler nach Übersee auswandern, wenn in der Europäischen Union Software-Patente nicht zugelassen werden. Sicherlich bringen Software-Patente für einige wenige Firmen große Vorteile - nämlich dann, wenn sie damit ganze Märkte bzw. Entwicklungszweige blockieren können (was wiederum der allgemeinen Idee des Patentwesens entgegensteht). Doch wo die an einer solchen Strategie interessierte Firma letztlich sitzt, ist egal - sie kann auch aus Europa heraus in den USA Software-Patente anmelden. Wichtiger wäre hingegen, daß ein Europa ohne Software-Patente die Möglichkeit bedeutet, Software schneller und billiger als in diesen Ländern zu entwickeln, welche sich selbst mit Software-Patenten blockieren.

Ebenfalls kein Argument sind die von Befürwortern von Software-Patenten gern vorgeschobenen Bedingungen des von der Europäischen Union unterzeichneten Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (TRIPs). Das deutsche Bundespatentgericht hat hier sehr genau ausgeführt, daß dieses Abkommen eben nicht die Patentierbarkeit von Software fordert, sondern vielmehr den Begriff "technische Erfindung" als Grundlage der Patentierbarkeit zusätzlich stärkt. Ganz nebenbei müssen wir an dieser Stelle glasklar feststellen, daß die Entscheidung, ob in der Europäischen Union Software-Patente eingeführt werden oder nicht, eine Entscheidung von der EU zum Wohl der EU sein sollte und nicht durch einen internationalen Vertrag definiert werden darf.

Sicherlich können Software-Patente einen wirtschaftlichen Vorteil bringen, und zwar durch hereinkommende Lizenzgebühren. Doch der Sinn von Patenten lag immer auch ausdrücklich auf dem Vorantreiben der technischen Entwicklung. Dazu gibt es schließlich auch die Pflicht des Patent-Inhabers, sein Werk offenzulegen, auf das jeder aus der Erfindung des anderen seine Schlüsse ziehen und für spätere eigene Projekte verwenden kann. Der Sinn lag hierbei darin, dem Patent-Inhaber durch die Laufzeit des Patents eine Möglichkeit auf Vergütung für seine Erfindung zu geben, gleichzeitig aber das Wissen des Patents der Menschheit sofort zur Verfügung zu stellen, auf das andere Erfinder davon profitieren konnten.

Doch mittels Software-Patenten könnte das genaue Gegenteil eintreffen: Nicht die Förderung von Entwicklungen und Innovationen, sondern im Gegenteil deren Abwürgung. Die Zulassung von europaweit durchsetzbaren Software-Patenten dürfte zur praktischen Folge habe, daß in den darauffolgenden Jahren enorme Mengen an Software-Patenten angemeldet werden. Und sobald dann ein Teilgebiet der Software-Technik mit ausreichend Patenten zugepflastert ist, werden Weiterentwicklungen auf Jahrzehnte nahezu unmöglich sein, ohne irgendein Patent zu verletzen oder aber Lizenzgebühren zu zahlen. Dies dürfte ein erheblicher Schlag für die Innovations-Freudigkeit der hiesigen Software-Branche sein.

Wir für unseren Teil bezweifeln jedenfalls, daß das Abwürgen einer ganzen Industrie durch die Einmal-Einnahmen mittels Lizenzgebühren abgefangen werden kann und sehen Software-Patente als wirtschaftpolitisch katastrophalen Schritt an. Dazu kommen die schon vorstehend aufgeführten Einwände, daß Software-Patente den ursprünglichen Patentbegriff untergraben, welcher von "technischen Erfindungen" ausgeht - was Software-Patente beidemale nicht sind, denn sie sind weder technischen Charakters als auch Erfindungen im Sinne des Wortes.

Wie schon eingangs erwähnt, wird Deutschland im EU-Ministerrat den Software-Patenten wohl diesesmal noch nicht zustimmen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und so wird das Thema so lange immer wieder neu aufgelegt werden, bis es entweder durchgedrückt wurde - oder aber den Befürwortern von Software-Patenten klar wird, daß sie nicht mehr mit Mehrheiten rechnen können. Dies wird aber wohl nur dann passieren, wenn die breite Öffentlichkeit Notiz von der wirtschafts- und entwicklungs-politischen Gefahr durch Software-Patente nimmt.



Nachtrag vom 21. Mai 2004:

Nun haben in der Beratung der EU-Kommission doch und wider unseres Erwartens die Befürworter von Software-Patenten gesiegt (selbst Deutschland knickte diesbezüglich entgegen früherer Ankündigungen ein), womit zukünftig in der Europäischen Union unter gewissen Bedingungen auch Software patentierbar sein wird, wie der Heise Newsticker berichtet - womit unser Artikel wohl noch brand-aktueller wird. Zwar soll es angeblich Änderungen in letzter Sekunde gegeben haben, doch wie weit diese reichen, ist derzeit vollkommen unklar - die Aussagen der daran beteiligten Personen sind leider nicht mehr als Absichtserklärungen zur Beruhigung aller in diese Diskussion verwickelten Parteien, lassen aber nicht auf die viel wichtigere konkrete Umsetzung schließen.

Aus jetztiger Perspektive läßt sich allerdings erkennen, daß Software in der Europäischen Union nur dann patentierbar sein wird, wenn sie technische Features enthält. Daß diese technischen Features selber ebenfalls neu sein müssen, ist damit aber nicht gesagt. Hier kommt es auf die Praxis an, wie stark Software also in der Realität patentiert werden wird. Angesichts der diesbezüglichen Ansichten des Europäischen Patentamts, welche bisher schon (ohne wirkliche rechtliche Grundlage) ca. 30.000 Software-Patente genehmigt hat, ist hier wohl eher schwarz zu sehen. Passend hierzu auch ein schon älteres Statement von Microsoft-Mitbegründer Bill Gates, welches klar aussagt, daß Patente mitnichten dem Schutz vor Ideen-Nachahmern dienen, sondern vielmehr dem "Schutz" der großen vor den kleineren Firmen - soviel zum Thema "Innovations- und Wettbewerbsförderung" durch Software-Patente.






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