Kolumne: Wie viele Pixelshader brauchen wir?
24. Oktober 2004 / von aths / Seite 1 von 1
Glaubwürdige Grafik zu bieten heißt nicht, mit Pixelshader-Effekten zu protzen. Und nicht nur die Grafik entscheidet, ob das jeweilige Spiel als "gut" empfunden wird.
I
Morrowind galt zum Zeitpunkt des Erscheinens als grafisch sehr gut. Besonders das Pixelshader-Wasser – endlich mal ein "DirectX8-Effekt" – überzeugte. Doch insgesamt wurde nicht viel gewonnen: Glänzend wie Quecksilber lagen die Seen in der Landschaft, und für den Bumpmapping-Effekt wurde die Halbdurchsichtigkeit des Wassers geopfert. Das Spiel filtert Texturen prinzipiell nur bilinear, die entstehenden MIP-Banding-Artefakte gehen natürlich zulasten des Realismus.
Die Sichtweite wird durch Nebel künstlich begrenzt. Das ist ansich kein Problem, doch leider entspricht die Nebelfarbe nicht dem (Himmel)-Hintergrund, so dass entfernte Vegetation an einen weißen Scherenschnitt erinnert. Mit angepasstem Fogging und trilinearer statt bilinearer Filterung würde die Landschaft eher "wie aus einem Guss" erscheinen.
Max Payne war zwar 3D-technisch schon beim Erscheinen nicht fortschrittlich. Trotzdem bietet es eine durchgehend ansprechende Grafik. Foto-Texturen tragen zum Realismus entscheidend bei; doch das ist nicht alles. Im U-Bahnhof gibt es zum Beispiel eine Ecke, wo Kacheln abgeplatzt sind. Dies ist auch geometrisch modelliert. Der Betrachter merkt: "Auch daran haben sie gedacht" - und freut sich ob dieses Details.
Die Textur-Auflösung ist für heutige Verhältnisse recht grob, doch das betrifft das gesamte Spiel. Anstatt mit vereinzelten Shadereffekten zu protzen, sind die Oberflächten im Spiel zwar etwas unscharf, das aber durchgehend. Hinzu kommt eine glaubwürdige Level-Architektur sowie eine hervorragende Soundkulisse – was über die Schwächen in der Glaubwürdigkeit der Handlung hinwegsehen lässt.
Betritt man bei Max Payne den Hafen, fühlt man sich auch wie im Hafen - alleine des Sounds wegen. Das grafisch äußerst statische Civilization III versucht ebenfalls mittels Sound-Effekten (z. B. im Kampf) den Effekt zu steigern, dass man sich in das Geschehen reinversetzt. Diablo 2 bietet einen passenden Soundtrack, im 1. und 5. Akt Wetter (Regen und Schnee), sowie "Ambient Life": Auf dem Boden kriecht kleines Getier, das wie das Wetter auf die Spielmechanik keinerlei Einfluss hat, aber die Spielwelt lebendiger macht.
Dieses schnelle Springen von Spiel zu Spiel soll zeigen: Der Spaß kommt nicht nur durch eine funktionierende Spielmechanik. Extrem gute Prinzipien wie Tetris kommen ohne Beiwerk aus, hier gilt sogar: Je puristischer desto besser. Doch wenn für ein Spiel 50 Euro verlangt werden, möchten wir Konsumenten natürlich mehr sehen.
II
Comic-mäßige Jump&Run-Spiele sind überhaupt nicht realistisch. Doch sofern die Grafik wie aus einem Guss erscheint, übersehen wir dies und können uns in diese Welt hineinversetzen. Um ein Spiel durch den Spieler "anzunehmen", muss natürlich die prinzipielle Bereitschaft dazu existieren. Die Playstation (PS1) überzeugte durch sehr gute Video-Szenen, doch die tatsächliche Spiele-Grafik war, sofern 3D, auf dieser Konsole schon immer bescheiden. Der große Erfolg der PS1 ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass der Spieler durch ein hochwertiges Intro dem Spiel aufgeschlossen gegenüber steht und Schwächen in der 3D-Grafik übersieht.
Die realistischste 3D-Grafik in Spielen ist auch heute vom Fotorealismus noch sehr weit entfernt. Insofern wäre es sinnlos, die "beste" Grafik für diejenige zu halten, die dem Fotorealismus am nächsten käme. Das wäre in etwa so, als wolle man denjenigen Sportler als Besten ehren, der am ehesten 2 Tonnen heben, 100 km/h laufen und 50 Meter weit springen kann.
Auch wenn wie bereits erwähnt 3D oft gar nicht not tut, wird es mehr und mehr eingesetzt. In Warcraft 3 zum Beispiel: Nun gut, auch die Zwischensequenzen nutzen die 3D-Engine von Warcraft. Obwohl die Echtzeit-Grafik deutlich schlechter als in den Intro-Videos ist, akzeptiert man als Spieler diese (aus Kostenersparnis gewählte) Lösung. Immerhin, manchmal geht die Zwischensequenz nahtlos in das eigentliche Spiel über. Dann allerdings fallen die nach wie vor seltsamen Größenverhältnisse von Gebäuden und Einheiten auf. Und während bei Command & Conquer die frisch gebauten Einheiten das Gebäude verlassen, erscheinen sie bei Warcraft einfach. Kompromisse allerorten.
Auf der anderen Seite krabbeln auch hier mal kleine Tierchen in der Landschaft herum – und die ganze Welt wirkt "handgemacht", also gezeichnet – und in sich stimmig. Die Untoten-Plage z. B. verseucht tatsächlich den Boden, was nicht nur ein grafischer Effekt ist, sondern auch Auswirklungen im Spiel hat.
III
In der Klamotte "Die Einsteiger" mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk steigen die Helden in Videofilme ein. Damals war der Computer noch nicht weit genug entwickelt, um als Realitäts-Ersatz glaubwürdig zu sein. "Tron", ein Meilenstein in der Filmgeschichte betreffs CGI, enthält nur gut eine Viertelstunde computergenerierte Animationen. Der Rest ist mit Hilfe herkömmlicher analoger Filmtricks realisiert. Computerspiele handeln meist nicht von einer Computerwelt, weshalb es sinnvoll ist, der Grafik den computergenerierten Look zu nehmen.
Dies wird beispielsweise mit Antialiasing und anistroper Texturfilterung erreicht. Nur weil ältere Computer noch nicht in der Lage waren, Dreieckskanten zu glätten, gilt lange nicht mehr, dass das bevorzugte Mittel zu mehr Realismus die höhere Auflösung ist. TFT-Displays, die sich auch im Spiele-Bereich immer mehr durchsetzen, sind ohnehin auf eine optimale Auflösung festgenagelt.
Pixelshader-Effekte sollten durchgehend eingesetzt werden, um eine durchgehende Verbesserung zu bewirken. Doom 3 z. B. sieht dank pixelgenauer Beleuchtung hervorragend aus. Anstatt dass Doom mit übertrieben Bumpmapping-Effekten protzt, übersieht man nach einiger Spielzeit ganz und gar, dass "gebumpmappt" wird. Insich stimmig legt Doom 3 die Messlatte höher, was Grafik angeht. Dabei werden ARB2-fähige Karten featuremäßig kaum ausgenutzt. Was an Shadern genutzt wird, ist simpel und wahrlich nicht der letzte Stand der Technik. Doch eben darauf kommt es ja auch nicht primär an - Grafik ist nur Mittel zum Zweck.
Tatsächlich trägt zum "Einsteig-Effekt" aber auch der hervorragende Sound mit bei. Wer da noch das dröge Spielprinzip kritisiert (nicht zwingend bezogen auf Doom 3), ist einfach nicht in der Lage, sich in ein Spiel hereinzuversetzen.