ATI launcht die Radeon X1900 Serie

24. Januar 2006 / von Leonidas / Seite 1 von 1

Mit dem heutigen Tag stellt der kanadische Grafikchip-Entwickler ATI bereits den Refresh-Chip des erst im Oktober vorgestellten R520-Chips vor. Der dem R520-Chip entsprungenen Radeon X1800 Grafikkarten-Serie, welche auch erst so richtig im Dezember lieferbar wurde, wird somit nur ein äußerst kurzes Leben an der Leistungsspitze beschieden sein - und sie sollte teilweise sogar mit dem Erscheinen des R580 und der darauf basierenden Radeon X1900 Grafikkarten-Serie mittelfristig wieder vom Markt verschwinden.

Daß ATI so kurz nach dem R520 bereits dessen Refresh bringt, hat in erster Linie den Grund, daß der R520 erst um einige Monate verspätet in den Markt kam. Nichts desto trotz hatte sich die Radeon X1800 Serie und dort insbesondere die Radeon X1800 XT doch sehr gut gegen die (seinerzeitigen) nVidia-Karten geschlagen. Mit dem Markteintritt der 512-MB-Version der GeForce 7800 GTX änderte sich dies allerdings: Mit jener Karte, welche mit ihren gegenüber der 256-MB-Version deutlich höheren Taktraten eher denn eine "GeForce 7800 Ultra" darstellt, übernahm nVidia wieder deutlich die Performance-Führerschaft (und allerdings auch in einer bisher nicht gekannten Weise die Preis-Führerschaft).

Insofern ergab sich damit für ATI ganz automatisch wieder der Zwang, nachzulegen. Ob die Radeon X1900 Serie ATI wieder auf den Performance-Thron zurückbringt, versuchen die vielen Benchmark-Artikel zum Launch zu klären, mit welchen wir uns nachfolgend noch beschäftigen werden. Erst einmal wollen wir kurz die einzelnen Karten der Radeon X1900 Serie vorstellen:

Wie den obenstehenden Angaben zum R580-Chip zu entnehmen, hat ATI diesen gegenüber dem R520-Chip (scheinbar) nur an einer Stelle aufgebohrt: Anstatt einer Pixelshader-Einheit pro Pipelines gibt es nun gleich deren drei. Allerdings steckt dahinter etwas mehr als nur eine Aufbohrung des R520-Chips: Denn vielmehr hat sich ATI hier technologisch beim Mainstream-Chip RV530 (Radeon X1600 Serie) bedient, welcher das gleiche Konzept verfolgt: Drei Pixelshader-Einheiten pro Pixel-Pipelines. Der R580 ist vom Pixel-Teil her faktisch ein vierfacher RV530 (16 vs. 4 Pipelines, 48 vs. 12 Pixelshader-Einheiten).

Wie schon ab und zu an dieser Stelle erwähnt, dürfte das wohl der Weg der Entwicklung in der nächsten Zeit sein: Weg von der weiteren Parallelisierung aller Komponenten der Pixel-Pipelines, hin zu einer differenzierten Steigerung der Leistungsfähigkeit an diesen Punkten, wo sie perspektivisch gebraucht werden wird. Für ATI scheint dies klar die Pixelshader-Rechenleistung zu sein, denn bei der Texturierungsleistung hat ATI durch den (prinzipiellen) Beibehalt der 16 Pixel-Pipelines nichts getan.

Daneben fällt zur Radeon X1900 Serie auf, daß ATI diese nicht wie noch die Radeon X1800 Serie relativ breit vom oberen Mainstream- bis zum absoluten HighEnd-Segment ansetzt, sondern mit dieser anscheinend allein das absolute HighEnd-Segment im Visier hat, gut zu sehen an jeweiligen Preisvorstellungen sowie dem Umstand, daß es bis auf die All-in-Wonder Radeon X1900 derzeit keine Karten dieser Serie mit "nur" 256 MB Grafikkartenspeicher geben wird. Das Angriffsziel für ATI ist also klar (und allein) die GeForce 7800 GTX mit 512 MB.

Dies bedeutet im Umkehrschluß aber auch, daß theoretisch eine größere Lücke zwischen der Radeon X1600 XT mit 249 Dollar Listenpreis (inzwischen sogar auf 169 Dollar gesenkt) und der Radeon X1900 XT mit 549 Dollar Listenpreis klafft. Und so wird - obwohl vorher anders vermutet - die Radeon X1800 Serie wohl doch noch eine Zeit lang vonnöten sein, um mit Radeon X1800 XL und Radeon X1800 XT diese Lücke zu schließen. ATI hat passenderweise dazu heute auch die Listenpreise der Radeon X1800 Serie gesenkt, allerdings sind uns die geänderten Listenpreise derzeit nicht bekannt (und werden nachgereicht).

Und damit zum eigentlichen und spannenden Teil dieses Artikels, nämlich der Frage, wie sich die Radeon X1900 Serie gegenüber der Radeon X1800 Serie sowie den nVidia-Karten in den Benchmarks des heutigen Tages schlug. Aufgrund der preislichen Ansetzung kann man durchaus erwarten, daß sich die Radeon X1900 XT/XTX recht deutlich vor der Radeon X1800 XT positionieren kann und gleichfalls einen heißen Tanz mit der preislich teils sogar höher angesetzten GeForce 7800 GTX 512MB führt. Aussagen hierzu finden sich in der folgenden Masse an Artikeln:

Empfehlenswerte Artikel kommen im übrigen von Beyond3D, ComputerBase, Digit-Life und dem Tech Report. In der generellen Aussage sind sich jedoch alle Artikel weitgehend einig: Mit Radeon X1900 XT und XTX ist ATI definitiv wieder zurück an der Spitze und übertrumpft die bisher dort führende GeForce 7800 GTX 512MB teilweise erheblich. Zwar gehen insbesondere einige OpenGL-Benchmarks pari oder mit leichtem Vorteil für nVidia aus, aber im Gesamtergebnis aller Zahlen * liegen Radeon X1900 XT/XTX runde 10 Prozent vor der GeForce 7800 GTX 512MB (* = Benchmarks ohne AA/AF herausgerechnet, da diese für solcherart HighEnd-Grafikkarten keine Relevanz haben sollten).

Die zweite Auffälligkeit ist der teils doch arg geringe Abstand zwischen Radeon X1900 XT und Radeon X1900 XTX, welcher sich allerdings beim Blick auf die Taktfrequenzen schnell ergründen läßt: Zwischen 625/725 MHz und 650/775 MHz liegen eben nur 4 bzw. 7 Prozent - und da es auch keinen Unterschied bei der Speicherbestückung gibt, verwundert der Performance-Unterschied von 4 bis 5 Prozent zwischen diesen Karten nicht weiter. Interessant wird dieser vor allem durch den preisliche Unterschied von immerhin 100 Dollar/Euro bzw. 18 Prozent: Es macht hier wohl nicht wirklich Sinn, auf eine Radeon X1900 XTX zu setzen, wenn die Radeon X1900 XT mindestens ein Sechstel günstiger ist, dabei nur gut 5 Prozent langsamer ist und ansonsten keine weiteren Nachteile gegenüber der größeren Karte besitzt.

Richtig interessant wird es dann, wenn man sich aus dieser Perspektive den Vergleich Radeon X1900 XT gegen GeForce 7800 GTX 512MB ansieht: Die ATI-Karte ist im Schnitt immer noch 5-10 Prozent schneller, kostet aber mit 549 Dollar Listen- bzw. 550 bis 600 Euro Straßenpreis deutlich weniger als das Top-Modell von nVidia, welches immer noch in für Grafikkarten recht astronomischen Höhen von 650 bis 700 Euro angeboten wird. Mehr Leistung für weniger Geld - was will der Anwender mehr?

Dabei kommt hinzu, daß sich ATI bis auf einen Punkt keine Schnitzer leistet: Man hat weiterhin das bekannte qualitativ gute Anti-Aliasing, dazu kommt die mit dem R520-Chip verbesserte Filter-Qualität. HDR-Rendering kann zwar auch die Konkurrenz, aber nicht im Zusammenspiel mit Anti-Aliasing - in diesem Punkt ist ATI derzeit meilenweit vorn und es ist etwas verwunderlich, daß nVidia als derjenige Chip-Entwickler, der HDR-Rendering schon vor mehr als einem Jahr (mit dem NV40) möglich machte, bis dato dieses noch nicht mit einem unter HDR-Rendering funktionierendem Anti-Aliasing ausstatten konnte: Schließlich macht es gerade bei HighEnd-Grafikkarten wenig Sinn, für das eine Bildqualitäts-Feature (HDR-Rendering) ein anderes (Anti-Aliasing) opfern zu müssen.

Der schon erwähnte Schnitzer liegt in einem Punkt, der jedoch nur indirekt mit den Möglichkeiten des Grafikchips zu tun hat: Die Lautstärke-Entwicklung der Testsamples von ATI wurde von den meisten Berichten als klar zu hoch eingestuft, angeblich erzeugen die DualSlot-Karten fast 50 dB(A). Für geräuschempfindliche Zeitgenossen scheint die Radeon X1900 Serie derzeit jedenfalls noch nicht gemacht zu sein. Ob das auch in Zukunft so sein muß, werden die Karten der einzelnen Grafikkarten-Hersteller zeigen müssen, die hoffentlich andere und leisere Lüfterkonstruktionen tragen.

Gleichfalls erscheint die CrossFire-Performance noch als etwas verbesserungswürdig, da hier nVidia mit einem SLI-Gespann aus zwei GeForce 7800 GTX 512MB Karten in etwa dieselbe Leistung erzeugen kann wie zwei Radeon X1900 XT Karten (bzw. eine Radeon X1900 XT und eine Radeon X1900 CrossFire Edition), obwohl im Einzeltest die ATI-Karte klar vorn liegt. Hier sollten zukünftige ATI-Treiber die dato noch fehlenden Performance-Prozentpunkte aus den CrossFire-Systemen herauskitzeln. Ganz nebenbei betrachtet ist die CrossFire-Option ein weiterer Pluspunkt für die Radeon X1900 XT gegenüber der Radeon X1900 XTX: Da die CrossFire-Edition der Radeon X1900 Serie genau auf den Taktraten der Radeon X1900 XT taktet, läßt sich ein CrossFire-System am besten mit einer Radeon X1900 XT bauen. Technisch geht das natürlich auch mit einer Radeon X1900 XTX, doch das wäre nur Geldverschwendung, da diese Karte in einem CrossFire-System in den meisten Fällen nicht schneller als eine Radeon X1900 XT arbeiten würde.

Insofern kommen wir auch über diesen kurzen Abstecher zum Thema MultiGrafikkarten-System wieder zur eigentlichen Kern-Aussage: Die Radeon X1900 XT ist die derzeit beste Wahl im absoluten HighEnd-Segment. nVidias aktuelles Top-Angebot GeForce 7800 GTX 512MB liegt zwar überhaupt nicht weit zurück, hat aber den psychologisch enorm wichtigen Nachteil, gleichzeitig noch ein gutes Stück teurer zu sein, insbesondere bei der reinen Betrachtung der Listenpreise: 549 Dollar stehen da gegen 649. Hier wird sich nVidia bewegen müssen - und da die nächste HighEnd-Hardware seitens nVidia "erst" zur CeBIT im März in Form des G71-Chips vorgestellt werden wird, kann dies wohl nur über den Preis gehen.

Für den Augenblick steht ATI somit relativ bombastisch da - vor allem auch, weil es schon diverse Ankündigungen der Grafikkarten-Hersteller zu Radeon X1900 Karten gibt, die auch teils (Asus, Club-3D und Sapphire) mit Meldungen über eine Lieferbarkeit dieser Karten garniert wurden. Auch ATI bemühte sich nach Kräften, etwaige Vorbehalte auszuräumen, bei der Radeon X1900 Serie könne es sich wieder einmal um einen Paperlaunch handeln und sprach von einigen tausenden an die Grafikkarten-Hersteller ausgelieferten R580-Chips. Dies mag sich zwar angesichts von fast 100 Millionen Welt- und Hersteller-weit im Jahr verkaufter Grafikkarten nach wenig anhören, aber HighEnd-Grafikkarten werden gewöhnlich nicht in großen Stückzahlen verkauft. Ob der Retail-Käufer aber wirklich schon in den nächsten Tagen eine X1900-Karte ergattern wird können oder ob der Großteil der Lieferungen (wie schon so oft) von großen OEMs "aufgefressen" werden wird, muß sich noch zeigen - aber die Chancen stehen gar nicht einmal schlecht.