ATi´s Mainstream-Antwort: Radeon X700
21. September 2004 / von aths & Leonidas / Seite 2 von 2
Mit dem NV40 wurden die Karten neu gemischt. nVidia erreicht zwar nicht die Taktraten von ATi´s R420/R423-Chips, bietet dafür bessere Effizienz pro Takt – und hat featuremäßig nochmals erheblich aufgestockt. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich zum Beispiel die technisch rückständige GeForce4 Ti trotz der Konkurrenz in Form der Radeon 8500 sehr gut verkaufte. Und dem Erfolg der GeForce2 tat es keinen Abbruch, dass sowohl die Pixeleinheit als auch die T&L-Unit der Radeon eigentlich mehr als die GeForce2 konnten. Und nur weil nVidia jetzt mit dem Shader Model 3.0 und anderen neuen Features kommt, heißt das nicht, dass das jeder nun auch anbieten muss.
ATi schaffte es zwar nicht, den eigentlich geplanten R400-Chip fertig zu entwickeln. Doch ehe unnötig viel Geld versenkt wurde, brach man das Projekt ab und wich auf eine Verlegenheitslösung aus: Den R420/R423. nVidia sah sich vor einiger Zeit in einer ähnlichen Lage, doch wurde der NV30 dann doch noch fertig entwickelt, wenn auch mit Kompromissen bezüglich der Pixelshader-Leistung (und mit weiteren Verzögerungen durch den 130nm Prozess). Daraus abzuleiten, nVidia sei generell die Firma, die den Fortschritt vorantreibe, ist natürlich falsch: Die GeForce4 Ti wurde ohne viel Aufwand entwickelt (während die GeForce4 MX schon etwas aufwändiger und dennoch technisch rückständig war) und behinderte seinerzeit beispielsweise den Einsatz des fortschrittlichen 1.4er Pixelshaders erheblich.
ATi wie nVidia sind gleichermaßen darauf bedacht, aus wenig Dollars viele Dollars zu machen. In dieser Generation wählte ATi nun die Möglichkeit, ein etabliertes Design mit minimalen Tunings als neues Produkt zu verkaufen. Im Mittelklasse-Markt liegt jetzt mit der Radeon X700 Serie nun eine geringfügig verbesserte Radeon 9500 Pro vor, welche ebenfalls 8 Pixel-Pipelines an einem 128 Bit DDR Speicherinterface aufzuweisen hatte. Die Leistung kommt in erster Linie durch die höheren Taktfrequenzen.
Bezüglich den Innereien der Pixelpipeline bleibt ATi leider ungesprächig. Geworben wird mit 5 Instruktionen pro Pipeline und Takt. Diese setzen sich zusammen aus einer Texturoperation, sowie einer MAD3-Instruktion, einer MAD1 oder SFU, sowie Bias/Scale einmal für Vektor3, einmal für ein Skalar. Was das genau für Operationen sind, die wir unter Bias/Scale zusammenfassen, will ATi leider nicht verraten. Jedenfalls, zählt man auf diese Art den bestmöglichen Fall, käme man beim NV40 auf 7 (je nach Sichtweise sogar 8) Instruktionen.
Wir zählen allerdings anders: Sowohl R300/R360/R420 und damit auch RV410 haben, genau wie der NV40, pro Pixelpipe sowohl eine TMU, die pro Takt ein bilineares Textursample erstellen kann, als auch eine vollwertige ALU für arithmetische Operationen, und einige weitere Hilfeinheiten, die bestimmte Berechnungen übernehmen können. Bis hierhin herrscht Gleichstand. Unterschiede gibt es allerdings in der Auslastungsmöglichkeit der vollen ALU, sowie betreffs der Hilfseinheiten und der Rechengenauigkeit. Dies wollen wir in einer Tabelle veranschaulichen, welche allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
9700 / X700 | GeForce 6600 | GeForce 5900 | |
Anzahl Quadpipelines (1 Quad = 4 Pixel) | 2 | 2 | 1 |
Bilineare TMUs pro Pixelpipe | 1 | 1 | 2 |
Vollständige FP-ALUs pro Pipe | 1 | 1 | 1 |
Maximale Anzahl Instruktionen pro FP-ALU und Takt | 2 | 4 | 1 |
Zusätzliche MAD-ALU | Nein | Nein | Ja |
Full Precision entspricht ... | 24 Bit | 32 Bit | 32 Bit |
Extra PP-ALU | Nein | Ja, NRM | Ja, ADD und SRQ |
Textur-Operation und ALU-Auslastung unabhängig | Ja | Nein | Nein |
Im Groben ergibt sich also folgendes Bild: Die Radeon-Karten profitiern durch die unabhängige Textureinheit, das heißt, ob eine Texturoperation ausgeführt wird oder nicht, ist egal, während ein TEX auf GeForce-Karten bestimmte Teile der FP-ALU blockiert. Allerdings darf man solche Tabellen nicht überinterpretieren – der NV35 müsste ja pro Pipeline eine hervorrangende Pixelshaderleistung bieten, doch die Ausführungsgeschwindigkeit liegt manchmal noch unterhalb der einer Radeon-Pipeline. Außerdem hat die Radeon gleicher Klasse gleich 8 Pixelpipes, und nicht nur 4. Auf der anderen Seite schaffen es weder Radeon X800XT noch GeForce 6800 Ultra, pro Takt 16 Pixel zu texturieren. Zwar sind 16 volle Pixelpipes vorhanden, doch die Bandbreite reicht für 16 Texel/Takt einfach nicht aus.
Der Hauptnachteil von der Radeon X700 gegenüber der GeForce 6600 besteht darin, dass die vollständige FP-ALU nur bis zu zwei Instruktionen pro Takt schafft, und nicht bis zu vier. Allerdings ist rohe arithmetische Power heutzutage noch nicht so sehr gefragt, da eher höhere Texturfüllrate die Endgeschwindigkeit dominiert.
Die NV3x-Linie leidet allerdings unter der unangenehmen Eigenschaft, dass auch ziemlich einfache Pixelshader-Befehle ungewöhnlich viele Takte in Anspruch nehmen – wohl der Preis der Flexibilität. Dieser Nachteil bei der arithmetischen Leistung ist mit dem NV40 allerdings abgeschafft worden, die R300-Leistung pro Takt wird sogar noch übertroffen. Dennoch ist Doom 3 die einzige Ausnahme, in der die Radeon X700 deutlich hinter der GeForce 6600 steht, ansonsten dominiert die neue Radeon X700 Serie mehrheitlich das Feld (Benchmarks mit Genehmigung von Hard Tecs 4U):
GeForce 6600GT | Radeon X700 Pro | Radeon X700XT | |
Doom 3, 1024x768 | 68,4 fps | 29,3 fps | 34,4 fps |
- mit 4x AA und 16x AF | 37,2 fps | 18,2 fps | 20,9 fps |
Far Cry, 1024x768 | 50,3 fps | 63,0 fps | 63,7 fps |
- mit 4x AA und 16x AF | 44,0 fps | 55,7 fps | 60,1 fps |
Unreal Tournament 2004, 1024x768 | 50,8 fps | 52,0 fps | 52,1 fps |
- mit 4x AA und 16x AF | 48,1 fps | 51,6 fps | 51,9 fps |
Für Doom 3 wissen wir, dass mindestens sechs Spiele diese Engine nutzen wollen, während wir diesbezüglich von der FarCry-Engine noch nichts wissen. Was Half Life 2 angeht, kann man davon ausgehen, dass die Engine mehrfach lizensiert wird - und für Half-Life 2 sagen wir voraus, dass die Radeon X700XT dort besser abschneiden wird als die GeForce 6600GT.
Insofern scheint derzeit jede der beiden neuen Mainstream-Grafikkarten ihre eigenen Claims zu besitzen, wo sie besonders gut aussieht - alle Werte zusammengerechnet kann sich somit durchaus ein Gleichstand ergeben. Zum Zeitpunkt dieses Artikels gibt es jedenfalls unserer Meinung nach noch zu wenige Benchmarks, um das Pendel mehr in die eine oder in die andere Richtung schwingen zu sehen. Zumindestens läßt sich schon jetzt voraussehen, daß ATi und nVidia wieder einmal eng beieinander liegen. Mal schauen, was die Launch-Artikel aus dem englischsprachigen Raum diesbezüglich an neuen Erkenntnissen bringen können, für den deutschen Markt stellte ATi leider im Prinzip keinerlei Testkarten zur Verfügung.
Abseits der reinen Benchmarks gibt es aber auch noch ein paar erwähnenswerte Punkte: Zum einen hatten wir bei der Geforce 6600GT seinerzeit schon angesprochen, daß deren US-Listenpreis von 199 Dollar eher unrealisierbar ist, von nVidia aber wegen des psychologischen Effekts bewußt so niedrig gewählt wurde. Dies scheint sich nun auch bei der Radeon X700XT abzuzeichnen, welche von ATi ebenfalls auf 199 Dollar US-Listenpreis festgelegt wurde. Dabei sprechen aber alle Anzeichen von Händlern und Grafikkarten-Herstellern klar in diese Richtung, daß es jene Karten erst ab um die 250 Euro geben wird.
Desweiteren wäre noch die PCI Express Problematik erwähnenswert: Der RV410-Chip hat ein natives PCI Express Interface und ATi macht bisher keinerlei Anstalten, seinen Grafikkarten-Herstellern einen Bridge-Chip anzubieten, obwohl - Ironie - ATi seinerzeit als erster Hersteller einen solchen entwickelte. Aber da ATi auch ganz allgemein für den möglichst schnellen Umstieg auf PCI Express steht, ist es eher unwahrscheinlich, daß es Radeon X700 Grafikkarten auf AGP geben wird.
Für diejenigen, die einfach nur günstig aufrüsten wollten, ist dies natürlich keine Lösung, denn ein nagelneues PCI Express System nur wegen einer Grafikkarten-Aufrüstung zu kaufen, ist sicherlich übertrieben. Hier hat nVidia die besseren Karten: Zwar ist deren NV43-Chip ebenfalls nur mit einem nativen PCI Express Interface ausgerüstet, aber nVidia bietet seinen Grafikkarten-Herstellern jederzeit und gern seinen Bridge-Chip an, auf daß diese entsprechende AGP-Lösungen basteln können. Allerdings muß ehrlicherweise auch gesagt werden, daß bis jetzt noch kein Grafikkarten-Hersteller eine GeForce 6600 /GT auf AGP angekündigt hat.
Und der abschließende Punkt ist die Lieferfähigkeit der neuen Mainstream-Beschleuniger, um welche es eher bescheiden aussieht: Wie schon in den News des vergangenen Wochenendes gemeldet, scheint die Massenproduktion des NV43-Chips erst im Oktober zu starten, kaufbare Karten gäbe es dann nicht vor November. Bei ATi ist die Sache dagegen derzeit noch eher ungewiß, aber mit einem Monat Rückstand (beim Launch-Termin) gegenüber nVidia und einem faktisch fast reinem Paperlaunch ist es auch nicht zu erwarten, daß morgen gleich die ersten Radeon X700 Grafikkarten ausgeliefert werden. Bleibt nur zu hoffen, daß dies nicht so ein Drama wird wie bei den Radeon X800 XT-PE und GeForce 6800 Ultra Grafikkarten, welche selbst jetzt noch kaum erhältlich sind ;-).
Nachtrag vom 5. Oktober 2004:
Nachtragen wollen wir noch - wie versprochen - die Betrachtung der Launch-Artikel zum Start der ATi Radeon X700 Serie Ende September (Liste der Artikel). Etwas zurücknehmen müssen wir dabei die Aussage unseres eigenen Launch-Artikels, wonach ATi keine Testkarten zur Verfügung gehabt hätte: Man hatte sie, jedoch seltsam ungleich verteilt mit einem Dutzend für amerikanische Online-Magazine und keine für deutsche Online-Magazine (THG bekommt seine Hardware aus Amerika, HT4U hatte eine von Sapphire und die CB durfte zu ATi zum Testen fahren) - eine schon etwas merkwürdige "Wertschätzung" der deutschen Online-Press.
Nun gut, mit den vielen amerikanischen Artikel ergibt sich auch so die Gelegenheit, noch einige Details über die Radeon X700 Pro/XT in Erfahrung zu bringen. So hat man sich bei Hexus mit der Performance unter dem ShaderMark 2.0 beschäftigt, bei den x-bit Labs setzte man hierfür den Xbitmark ein. Während letzterer noch einen ungefähren Gleichstand zwischen Radeon X700XT und GeForce 6600GT aufzeigte, gewinnt die nVidia-Karte unter dem Test mit dem ShaderMark 2.0 jeden einzelnen Vergleich, teilweise sogar deutlich - wobei dafür die ATi-Karte wesentlich mehr der Einzeltests des ShaderMarks 2.0 darstellen kann.
Zumindestens läßt sich somit sagen, daß in dieser Mainstream-Generation die Pixelshader-Performance nicht mehr so eindeutig zugunsten von ATi liegt, wie zwischen Radeon 9600 Pro/XT und GeForceFX 5600/5700. An dem seinerzeitigen Urteil bezüglich der RealWorld-Performance beider neuer Mainstream-Karten ändert sich im übrigen erstaunlicherweise nichts: Radeon X700XT und GeForce 6600GT sind ungefähr gleichauf. In den meisten Benchmarks liegen beide Karten dabei recht nahe beieinander, nur unter FarCry (ATi) bzw. Doom 3 (nVidia) gibt es deutliche Ausreißer in die eine oder andere Richtung.
Die teilweise mitgetesteten Grafikkarten der "alten" Mainstream-Generation um Radeon 9600 Pro/XT, Radeon X600XT, GeForceFX 5700 Ultra und GeForce PCX 5750 werden von den neuen Mainstream-Karten dabei nach Belieben dominiert. Interessant ist möglicherweise noch der Vergleich zur "alten" HighEnd-Generation auf AGP, da es die Radeon X700 - zumindestens nach derzeitigen Planungen von ATi - nicht auf AGP geben wird und somit Radeon 9800 Pro/XT Karten weiterhin ihre Daseinsberechtigung haben. Zahlen zu diesem Vergleich finden sich bei Hot Hardware, Bit-Tech, den x-bit Labs, AnandTech sowie dem Tech Report.
Danach schlagen sich Radeon X700 Pro/XT durchaus nicht schlecht gegen die immerhin mit einem 256bittigen Speicherinterface ausgerüsteten (dafür aber teils deutlich niedriger getakteten) Radeon 9800 Pro/XT Karten: Zumeist erreicht die neue Mainstream-Generation die gleiche oder eine ähnliche Geschwindigkeit wie die alte HighEnd-Generation, einige Artikel ermittelten auch erwähnenswerte Vorteile für die Radeon X700 Pro/XT unter Doom 3 und FarCry. Natürlich lohnt es sich für Besitzer von Radeon 9800 Pro/XT Karte trotzdem nicht, auf eine Radeon X700 Pro/XT zu wechseln - aber das war ja auch nicht zu erwarten. Leider hat keiner der Artikel die Radeon X700 durch Heruntertakten simuliert, dies hätte sicherlich einen interessanten Vergleich zur GeForce 6600 ergeben.
Radeon X700 |
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Nachtrag vom 6. Oktober 2004:
Eine brandheiße Information zum Thema Radeon X700 auf AGP haben die x-bit Labs ausgegraben: Danach arbeitet man bei ATi an einem "Rialto" genannten Bridge-Chip, womit PCIe-Karten auch auf AGP angeboten werden können. Im übrigen können wir an dieser Stelle hinzufügen, weshalb ATi diesen Rialto-Chip nun benötigt, wo man doch die Radeon 9800 Serie als AGP-Gegenpart zur Radeon X700 Serie einfach hätte im Markt lassen können: ATi wollte offenbar die R350/R360-Chips für die Radeon 9800 Serie schon demnächst auslaufen lassen - und wurde hier nur durch den Protest einiger Grafikkarten-Hersteller gebremst.
Durch diesen Protest wird es noch eine Weile lang Radeon 9800 /Pro/XT Grafikkarten zu kaufen geben, doch prinzipiell wird diese Serie mittelfristig auslaufen. Damit benötigt ATi zwingend neue Mainstream-Angebote auf AGP - und deswegen kam es letztlich zur Entwicklung des Rialto-Chips. Somit wird "Radeon X700 auf AGP" aber auch kein "Privatprojekt" einzelner Grafikkarten-Hersteller, sondern eine von ATi offiziell vorangetriebene Idee, womit sich wohl nicht nur eine Handvoll AGP-Varianten der Radeon X700 im Markt einfinden werden. Die große Frage ist nur, wann dies sein wird: Die Informationen hierzu sind widersprüchlich und reichen von November bis Januar.